Erwarte mich in Paris (German Edition)
hatte. Und trotzdem verursachten sie mir einen Schmerz in der linken Brusthälfte. Aber das bekam Paco natürlich nicht mit. Ich musste hoch pokern, um eine Chance zu bekommen.
Drohend hielt ich das Handy in die Höhe. „Und? Bedenkzeit vorbei.“
Paco nickte knapp. Sofort verschwand ein Junge zwischen den Wohnwagen. Wenige Augenblicke später kam er mit Piero an seiner Seite zurück. Erstaunt blieb Piero stehen und sah von Paco zu mir und wieder zurück.
„Komm her!“ Paco winkte und Piero setzte sich sogleich in Bewegung. Als er neben Paco ankam, griff dieser blitzschnell in Pieros hellbraunes Haar, als würde er einem Pferd in die Mähne fassen. Abschätzend sah er ihm ins Gesicht.
„Den hier willst du also?“
Ich entgegnete nichts. Ich wartete. Egal wie Pacos Entscheidung ausfiel. Wenn Piero nicht mit mir kommen wollte, hatte ich sowieso verloren. Piero zitterte, sein schönes Gesicht war von Angst und Schmerz verzerrt.
„Du weißt schon, dass er Abschaum ist?“ Mit einem schnellen Stoß, den Piero nicht vorhersehen konnte, brachte er ihn zu Fall. Paco lachte, während Piero auf Händen und Knien im Staub kauerte und nicht hochzublicken wagte.
„Er ist, was ihr aus ihm gemacht habt. Doch er hat solch eine Behandlung nicht verdient“, entgegnete ich und bemerkte, dass Piero mir einen scheuen Blick zuwarf.
„Du weißt schon, was er tagaus, tagein mit den dreckigen Schwänzen wildfremder …“
„Ich weiß nur, dass du den Mund halten sollst!“ Meine Stimme donnerte über den Platz. Zorn wallte in mir hoch. „Immer geschieht alles zum Wohle der Familie. Immer geschieht alles nach festen Regeln, egal, ob es den Einzelnen zerstört. Familie, dass ich nicht lache!“ Jetzt spuckte ich ihm vor die Füße. „Ich scheiß’ darauf!“
Gemurmel erfüllte die Nacht. Doch das Entsetzen meiner Sippe war mir egal. Ich hatte von einem anderen Leben gekostet, und ich würde jederzeit wieder ein anderes Leben wählen, fernab von dieser heuchlerischen Gemeinschaft. Die Frage war nur, ob Piero genauso dachte wie ich.
„Piero?“ Ich hielt ihm meine Hand entgegen. „Möchtest du mit mir kommen? Für immer?“
Seine Augen waren dunkel, wie die Nacht, als er zu mir aufsah.
„Verzeihst du mir denn?“ Leise, fast unhörbar waren die Worte.
„Ich muss dir nichts verzeihen. Es war nicht deine Entscheidung gewesen. Dein ganzes bisheriges Leben war nicht deine Entscheidung. Ich biete dir ein neues Leben an. Eines, das frei von Zwängen ist.“ Ich stockte. Was versprach ich ihm hier? War ich wirklich besser als Paco? Besser als meine Familie? Doch ich musste es wagen. Ich musste diesen Schritt tun.
Noch immer hielt ich ihm meine Hand entgegen. „Ich biete dir ein Leben an meiner Seite.“
Langsam, ganz vorsichtig rutschte Piero aus Pacos Reichweite. Dann stand er auf und trat neben mich.
„Was für ein schönes Paar.“ Pacos Schnauzbart begann wieder zu hüpfen.
„Ihr dürft sie nicht einfach so gehen lassen.“ Eine schrille Stimme erklang und Sara trat aus der Menge hervor. „Er sollte doch mich heiraten! Er hat sich hinterlistig aus seiner Verantwortung gestohlen. Er hat mich und die ganze Sippe mit diesem Handeln gedemütigt. Ich will, dass er leidet!“ Saras Stimme überschlug sich vor Hass.
„Ich habe gelitten. Aber das ist vorbei. Ich bin jetzt mein eigener Herr. Niemand hat mir mehr etwas vorzuschreiben. Und vor allem nicht du, Sara. Du hast keine Macht über mich! Du hast sie nie gehabt!“
„Das wirst du büßen!“ Sie ballte ihre kleinen Hände zu Fäusten und stampfte auf den Boden. Die Wucht ließ ihren Körper wie Pudding wackeln.
„Kein Wort mehr, keine Drohungen, sonst lass ich den Deal platzen und nehme Piero trotzdem mit. Nichts zwingt mich mehr, das zu tun, was ihr wollt.“
Sara stürmte mit erhobener Hand auf mich los. Ihre Züge waren hassverzerrt. Einem Impuls folgend, wollte ich vor ihr zurückweichen. Piero tat es sogar. Doch ich widerstand und fing ihren Arm mit Leichtigkeit ab. Mit einer schnellen Bewegung drehte ich ihn ihr auf den Rücken und versetzte ihr einen Stoß, der sie wegtaumeln ließ. Mit verzerrtem Gesicht rieb sie ihre verrenkte Schulter.
„Untersteh dich, mich noch einmal anzufassen“, sagte ich, als sie wieder einen Schritt auf mich zumachte. Ich hatte meinen ausgestreckten Arm auf sie gerichtet und starrte sie zornig an.
Und wirklich, es wirkte. Sie wich zurück. Obwohl
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