Erwarte mich in Paris (German Edition)
geglaubt, jeder erliege meinem Charme und meinem unglaublichen Charisma. Das ich nicht lachte!
Ich war mir dieser Wirkung doch nie wirklich sicher gewesen, wieso dachte ich, dass ich auf Piero irgendeinen Einfluss haben könnte? Ich war ein Nichts! Schon immer, und heute umso mehr.
Auf der Treppe stehend, eine Hand am Türrahmen, presste ich die Augenlider zusammen und zog die staubige Luft der Straße ein.
„Gut geschlafen?“
Ich riss die Augen auf. Piero stand im Schatten eines Baumes an einem einfachen Holztisch und sah mir entgegen. Ein vorsichtiges Lächeln lag auf seinem Gesicht.
„Ich habe etwas zu Essen gemacht. Ich hoffe, das ist okay.“
Ich trat näher und besah erstaunt den gedeckten Tisch mit Baguette, Wurst und Käse. Sogar eine Thermoskanne mit heißem Kaffee wartete.
„Ob das okay ist? Es ist wunderbar!“, sagte ich überrascht.
„Nun, ich war mir nicht sicher, ob ich die Vorräte verwenden darf.“
„Aber sicher. Sie sind genau dafür da.“
Ich hatte sie damals mit dem Gedanken im Kopf eingekauft, dass sie Piero und mich eine zeitlang von Städten und Geschäften unabhängig machen konnten. Dass es jetzt genauso war, machte mich glücklich.
„Ich bin froh, dass du noch da bist“, sagte ich.
„Und ich bin froh, dass du mich nicht aufgegeben hast.“
Sein Lächeln erwärmte mein Herz.
„Wo fahren wir eigentlich hin? “
Ich trank einen Schluck Kaffee und schüttelte den Kopf. „Erst einmal weit weg, bis ans Ende der Welt. Dort beginnen wir dann ein neues Leben.“
Ich beobachtete sein schönes Gesicht, das sich vor Unglauben leicht verzog. Als er dann jedoch den Kopf in den Nacken warf und lauthals zu lachen begann, konnte ich nicht anders, als in sein Lachen einzusetzen.
Ab jetzt war das Reisen leichter. Wir redeten und lachten viel. Es waren nur Belanglosigkeiten, die wir austauschten, aber sie tauten das Eis zwischen uns und schafften eine Atmosphäre, wie wir sie schon Jahre nicht mehr gespürt hatten. Sie erinnerte mich an unser Zusammensein in der Kindheit, als Pieros Tätigkeit, unbedingt Geld heranschaffen zu müssen, die Stimmung noch nicht getrübt hatte.
Gegen Abend kamen wir zu dem Ort, den ich für unseren Neubeginn gewählt hatte. Wir zweigten von den großen Straßen ab und begaben uns auf kleinere Landstraßen. Obwohl ich vorsichtig abbog und auf einem schlechten Feldweg nur mit Schrittgeschwindigkeit fuhr, musste sich Piero mit beiden Händen an Armaturenbrett und Türgriff festhalten. Während er durchgeschüttelt wurde, meinte er lachend, „Ich hatte nicht geahnt, dass du so etwas mit ‚Ende der Welt’ meintest.“
Er verstummte jedoch, als sich uns ein grandioser Ausblick auf den Atlantik eröffnete. Die Sonne näherte sich gerade dem Horizont und ließ das Meer wie flüssigen Honig erstrahlen.
„Wir sind da“, flüsterte ich ehrfürchtig. „Weißt du, Max, der mir Lesen und Schreiben gelehrt hat, erzählte mir von diesem Ort – vom Cabo de Finisterre. Im Mittelalter dachten die Menschen, hier wäre das Ende der Welt. Sie pilgerten aus ganz Europa nach Spanien, um sich von ihren Sünden zu befreien und ein neues Leben zu beginnen.“
Ich öffnete die Tür und lief Richtung Klippen.
„Komm“, rief ich Piero zu. „Wir haben noch etwas zu erledigen.“
Alles auf Anfang
Wir kletterten zwischen den Felsen hinab und steuerten einen kleinen, steinigen Strand an. In einer Tasche, die ich über meine Schulter geworfen hatte, befanden sich einige Dinge, die wir brauchen würden. Unter anderem eine Taschenlampe für den Rückweg und Streichhölzer. Unterwegs begann ich, trockene Äste der hier wachsenden Ginsterbüsche einzusammeln. Am Strand angekommen, schichtete ich sie zu einem Haufen auf.
„Ich muss dir etwas sagen.“ Piero kauerte auf dem Boden. Zwischen seinen Fingern drehte er zwei runde Kiesel. „Ich war nicht ich selbst, als ich es getan habe. Na ja, beim zweiten Mal schon eher, da hat mich die Wut getrieben, wegen dem, was dir das Schwein angetan hat … Aber beim ersten Mal … da habe ich mir von Romika helfen lassen. Du weißt ja, sie kennt sich mit Kräutern, Drogen und solchen Sachen aus … Und dann habe ich es einfach so tun können. Es war, als hätte ich mir dabei selber zugesehen. So als würde ich im Kino sitzen und einem Schauspieler bei der Arbeit zuschauen. Erst als ich dich traf, wurde mir bewusst, dass ich es mit meinen eigenen Hände
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