Erwartung: Der Marco-Effekt Der fünfte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q (German Edition)
vielleicht irgendwie für sich weiterkommen.
Nur er, Carl, kam nicht weiter. Ratlos starrte er auf die beiden Zettel mit den Telefonnummern. Eine von Monas Büro und die andere von Lisbeth. In seinem gegenwärtigen Zustand war er einfach unfähig, sich zu entscheiden.
»Hast du gesehen, wie spät es ist, Carl?«
Er sah erst zu Rose, die im Flur vor seiner Tür stand, dann zur Uhr. Gleich sieben.
»Ich muss schnell noch mal los, bevor alle Geschäfte schließen. Brauchst du etwas?«
»Nein, danke. Ich bin auf dem Weg nach oben zu Assad. Er vernimmt gerade den letzten von Zolas jungen Männern und behauptet, er hätte was Interessantes für uns. Anschließend fahre ich nach Hause.«
»Na, viel Vergnügen. Aber bevor du fährst, muss du unbedingt noch mal runterkommen. Ich hab nämlich auch noch was für euch.«
Carl seufzte. Roses Schritte verklangen auf dem Korridor. Er musste das alles unbedingt in einer halben Stunde überstanden haben, die Zettel vor ihm erlaubten keinen Aufschub.
Unentschlossen klebte sein Blick auf den Nummern. Zweifelsohne hatten beide etwas für sich.
»Das hier ist Hector, Carl. Hector, sag: ›Guten Tag, Carl.‹«
Carl nickte zur Begrüßung. Kein Grund, feindselig zu sein. So wie der Typ wirkte, war er eh schon mürbe.
Hector reichte ihm die Hand, was schon fast ein Tick zu viel des Guten war.
»Und nun?« Carl ließ sich auf einen Stuhl neben dem Tisch fallen. »Keine Handschellen? Können wir uns auf dich verlassen, Hector?«
Dieser nickte.
»Von den jüngeren Clanmitgliedern ist Hector der Älteste«, erklärte Assad und klopfte dem Typen auf die Schulter. »Alle betrachteten ihn als Zolas Nachfolger, wenn es denn mal so weit sein würde. Und jetzt sitzt er hier und erzählt mir, er habe zeit seines Lebens davon geträumt, da rauszukommen.«
Carl blickte Assad an und gestattete sich ein kaum merkliches Lächeln. »Und deshalb hast du Hector angeboten, dass er eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommt, falls das überhaupt möglich ist, nicht wahr, Assad?«
Sein Kollege hob grinsend den Daumen. »Du hast es erfasst.«
Dieser unverbesserliche Kerl!
»Erzähl Carl mal, was du vorhin mir erzählt hast, Hector.« Assad wandte sich an Carl. »Jetzt kommt’s.«
In seinem schwarzen Anzug sah der Bursche geradezu elegant aus. Falls Assads Versprechen eingelöst werden konnte, würde Hectors Integration in die dänische Gesellschaft jedenfalls nicht am Aussehen scheitern. Wenn sich nur ein Zehntel dieser schlicht gekleideten nordischen Bevölkerung, er selbst eingeschlossen, so gepflegt und exklusiv präsentierte wie dieser Typ, dann würde das Königreich den schicken Italienern und Franzosen den Rang ablaufen.
»Heute sind zwei schreckliche Sachen passiert, habe ich gerade erzählt.« Dieser Hector sprach fließend Englisch. »Zola hat in Østerbro seinen Bruder umgebracht, das ist das eine. Und mir war sofort klar: Wenn er das fertigbringt, ist keiner von uns mehr sicher. Dabei war ich wirklich überzeugt, dass zumindest ich unter seinem Schutz stand. Das Zweite sind diese Afrikaner. Ich hab gesehen, wie die Schwarzen zwei Typen bewusstlosgeschlagen haben, ich glaube, die waren aus Estland, und das waren selbst schon ziemlich harte Kerle. Die Schwarzen haben mich ehrlich erschreckt, weil sie so jung waren und so eiskalte Augen hatten. Und jetzt ziehen sie durch die Stadt und suchen nach Marco.«
Carl hatte stirnrunzelnd zugehört. Noch zwei Informationen, über die er schnell Klarheit haben wollte, dann würde er den Fall aber definitiv zu den Akten legen. Schluss. Aus. Feierabend.
»Warum suchen sie Marco? Zola ist doch tot.«
»Das sind Auftragskiller. Die tun, wofür sie bezahlt werden, allein schon wegen der Reputation.«
Auftragskiller? Hier in Kopenhagen?
»Weißt du, wo Marco sich aufhalten könnte?«
Hector zuckte die Achseln. »Marco ist gut im Versteckspielen.«
»Du hast gehört, Carl, woher die beiden Typen kommen, oder?«, schaltete sich Assad ein.
»Allerdings.« Diesen merkwürdigen Umstand klarer einordnen zu können, war der zweite Punkt, an dem ihm noch lag.
»Diese Leute reden nicht über sich«, sagte Hector und trank einen Schluck Wasser, das Assad ihm hingestellt hatte. Der einzige Luxus in diesem sterilen kleinen Raum. »Deshalb weiß von uns auch keiner, wer die beauftragt hat. Auf keinen Fall war es Zola, der wollte mit den Schwarzen nichts zu tun haben.«
Carl bedeutete Assad, den Raum zu verlassen. »Was meinst du dazu?«
»Was ich
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