Erzähl es niemandem!: Die Liebesgeschichte meiner Eltern (German Edition)
Sie es kaum durch die Wachen schaffen.«
Lillian fasst sich ein Herz. Sie erzählt dem jungen Mann von Helmut.
Dass sie mit ihm verlobt ist und ihn seit vielen Monaten nicht mehr gesehen
hat. Dass sie nur einen Wunsch hat: ihn noch einmal zu treffen, bevor er nach
Deutschland geschickt wird. Und dass sie die Erlaubnis des Alliierten
Oberkommandos dazu hat.
Sie zeigt dem jungen Mann das Formular. Der schüttelt den Kopf. »Ich
glaube kaum, dass die Heimatfront-Soldaten das Papier akzeptieren werden. Die
haben ihre eigenen Bestimmungen.« Lillian ist auf dem Beifahrersitz in sich
zusammengesunken. »Wissen Sie was«, sagt der junge Mann. »Legen Sie sich hinten
auf den Fußboden. Und nehmen Sie diese Decke. Wenn ich an der Kreuzung
angehalten werde, zeige ich meinen Pass und sage einfach, dass ich zu meiner
Tante nach Hedenstad will.«
Lillian nimmt die Decke, steigt nach hinten und legt sich hinter die
Sitze. Der junge Mann lässt das Auto wieder an. Nach einigen Minuten hört sie
ihn leise sagen: »Da ist sie, die Kreuzung. Ich sehe drei Soldaten vor dem Zelt
stehen. Sie müssen sich jetzt ganz ruhig verhalten.«
»Halt!« Das muss der Posten sein. Lillian hält den Atem an.
»Wohin wollen Sie?«
»Ich muss etwas abliefern, auf dem Hof meiner Tante in Hedenstad.«
»Ihren Pass.«
Der Soldat von der Heimatfront muss direkt neben dem Auto stehen. So
hört es sich jedenfalls an. »In Ordnung. Weiterfahren.« Der Wagen beginnt
wieder zu rollen. »Sie können jetzt wieder hochkommen«, sagt der junge Mann
nach einer Weile.
Lillian weiß nicht, wie sie ihre Dankbarkeit ausdrücken soll. Sie
bittet ihn um seinen Namen und seine Adresse. Vielleicht kann sie ihm später
etwas schicken. Er hält an, reicht ihr die Hand und lacht. »Da hinter der
nächsten Kurve ist ein Waldweg. Der führt direkt zum Lager. Aber seien Sie um
Himmels willen vorsichtig.«
Lillian nimmt ihre Reisetasche und geht den Waldweg entlang, bis sie
zu einer Lichtung kommt, die von einem hohen Stacheldrahtzaun durchschnitten
wird. Hinter dem Zaun sitzen drei Männer im Gras und spielen Karten. Sind das
deutsche Uniformen? Sie sehen so abgerissen aus. Die Schulterstücke und
Kragenspiegel fehlen. Und auch der Adler mit dem Hakenkreuz.
Die Männer haben Lillian entdeckt. Sie lassen die Karten sinken und
springen auf. »Was macht die denn hier? Weißt die denn nicht, dass es für
Zivilisten verboten ist, hier zu sein?«
Lillian lässt sich nicht wegschicken. Sie fragt den Mann auf Deutsch,
ob er einen Helmut kennt. Einen Helmut Crott.
»Crott? Klar, kenne ich. Aber den kannst du unmöglich sprechen. Vorm
Lagereingang stehen die Norweger. Und die werden dich gleich verhaften.« Er
sieht sich nervös um. Seine Kameraden sind wie vom Erdboden verschluckt.
Wahrscheinlich haben sie die beiden Norweger von der Heimatfront rechtzeitig
gesehen, die nun direkt auf sie zukommen.
»Pass«, sagt der eine. Mehr nicht. Lillian versucht ruhig zu bleiben.
Sie gibt dem einen ihren Pass und dem anderen die Erlaubnis des amerikanischen
Offiziers. Der wirft nur einen Blick auf das Papier, zerknüllt es und stopft es
mit einem Blick der Verachtung in seine Tasche. »Abführen«, sagt er zum anderen.
In diesem Augenblick sieht Lillian, wie hinter dem Zaun ein Mann auf sie
zuläuft. Es ist Helmut. »Helmut«, ruft sie. »Ich darf nicht zu dir. Sie
erlauben es nicht.« Helmut dreht sofort ab.
Die norwegischen Wachsoldaten haben offenbar genug von dem Theater.
Sie fassen Lillian am Arm und wollen sie wegziehen. Auf einmal sind die drei
Kartenspieler wieder da. Sie haben noch ein paar Kameraden mitgebracht. Sie
veranstalten einen ziemlichen Radau hinter dem Zaun. Das lenkt die Norweger ab.
Und da ist auch Helmut. Diesmal auf der anderen Seite des Zauns. Und
in Begleitung eines englischen Offiziers. Die norwegischen Soldaten lassen
Lillian sofort los. Sie fällt Helmut in die Arme. Beide weinen. Hinter dem Zaun
gibt’s lauten Beifall.
»Until 11
p.m.«, sagt der Offizier knapp, als sie zum Tor gehen. »Then you have to be
back in the barracks, Helmut!« Helmut drückt Lillian an sich. »Ich bin
sein Dolmetscher und habe von dir erzählt, und auch gesagt, wie gerne ich dich
noch einmal sehen würde, bevor ich nach Deutschland muss.« Er strahlt sie an.
»Ich kann nicht glauben, dass du hier bist. Aber es ist doch kein Traum. Es ist
wahr! Dass du das geschafft hast!«
Lillian darf im Gästeraum des Offizierskasinos schlafen. Als sie
sich am nächsten Morgen von
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