Erzaehl es niemandem
Skiläufer. Die Schwestern verdrehen die
Augen. Mal liegt der eine im Schnee, mal der andere. Ständig muss man auf sie
warten. Und so dauert es länger als sonst, bis man den Gipfel des Ramskarheia endlich erreicht hat. Teschner und Crott sind schweißgebadet. Aber der Anblick
der schneebedeckten Berge, die aus den Fjorden ragen, entschädigt sie für die
Mühen des Aufstiegs.
Die Gruppe beschließt, in der warmen Sonne eine Rast zu machen. Die
Norweger öffnen ihre Rucksäcke und nehmen den Proviant heraus. Crott, der sich
gleich neben Lillian gesetzt hat, holt aus seinem Rucksack ein seltsames
dunkles Brot hervor, das in Norwegen unbekannt ist – was für ein säuerlicher,
seltsamer Geschmack …
»Und das heißt wirklich Pumpernickel?«, fragt Lillian und muss über
das merkwürdige Wort lachen.
Während Pus im Schnee spielt, hat sich Unteroffizier Teschner neben
John Berthung niedergelassen. »Was für ein wunderbares Land und was für eine
herrliche Natur hier in Nordnorwegen. Ich hab nicht gewusst, wie schön es hier
ist! Hoffentlich kann ich zurückkommen, wenn Friedenszeiten sind.«
»Ja, das wären in der Tat bessere Umstände«, sagt John Berthung, und
in seiner Stimme ist auf einmal eine gewisse Schärfe. Waren die Bedenken seiner
Frau nicht doch richtig? Er sitzt hier in der Sonne mit deutschen Soldaten! Und
mit seinen Töchtern! Wenn man bloß auf dem Abstieg keine Bekannten trifft!
Robert Teschner, dem Mann, der vor wenigen Wochen in der Heimat
seine Frau verloren hat, scheint der Ausflug gut zu tun. Teschner wirkt zum
ersten Mal gelöst. Er steht auf, um den Augenblick mit dem Fotoapparat
festzuhalten. Für die Aufnahme legt Helmut Crott seinen Arm um Lillian. So wie
man es tut, wenn man sich kennt und fotografiert wird. Lillian lässt es
geschehen. Teschner drückt auf den Selbstauslöser seiner Kodak Retina. Und so
entsteht das erste Foto von Lillian und Helmut.
Abbildung 15
Man macht sich auf den Heimweg. Jetzt geht es den Berg
hinunter. Crott gibt sich alle Mühe, aber zu seinem Leidwesen fällt er genau
wie Teschner immer wieder in den Schnee, während Lillian und Pus ihnen mit
eleganten Schwüngen zeigen, wie man es richtig macht.
Unten angelangt nehmen die beiden Männer Haltung an und bedanken
sich bei John Berthung für die Einladung. Dann geht Crott auf Lillian zu. »Ich
werde diesen Tag nie vergessen, Lillian.« Sein Händedruck ist fest. Lillian
erwidert den Druck, weiß aber nicht, was sie sagen soll. Zum Glück lässt Crott
ihre Hand wieder los und wendet sich John Berthung zu. »Vielleicht kann man
sich einmal in der Stadt wiedersehen?« Lillian und Pus blicken ihren Vater an.
Sie merken, dass ihn diese Frage in Verlegenheit bringt. »Vielleicht«,
antwortet er nach einer Pause, »vielleicht können wir einmal zusammen Schach
spielen.«
John fragt sich auf dem Heimweg, ob er wirklich möchte, dass die
beiden Deutschen in die Halvdansgate kommen. Zugegeben – sie sind sympathisch,
die beiden. Vor allem dieser Crott hat ihm gefallen.
In den folgenden Wochen kommt Helmut Crott tatsächlich ein
paar Mal in die Halvdansgate. Den Unteroffizier Teschner bringt er jedes Mal mit.
Die beiden Herren spielen abwechselnd Schach mit John. Danach erhebt man sich
und geht.
Abbildung 16
Annie Berthung mag diese Besuche nicht. Auch zur Hütte waren
die beiden Soldaten noch einmal gekommen. Sie sorgt sich um das Ansehen ihrer
Familie. An sich ist es ja nicht ungewöhnlich, dass deutsche Soldaten in den
Häusern der Norweger ein- und ausgehen. Schließlich hat die Wehrmacht überall
Zimmer für die Offiziere beschlagnahmt. Aber bei den Berthungs ist es nun einmal
nicht so. Das wissen auch die Nachbarn. Diese beiden Deutschen kommen und gehen – ja, warum eigentlich …
Dabei hat Annie noch ganz andere Sorgen. Die Beschaffung von
Lebensmitteln wird immer schwieriger. Sooft es geht, muss sie hinaus aufs Land,
um die Dinge zu besorgen, die man in keinem Geschäft in der Stadt mehr kaufen
kann. Die Rationierung ist inzwischen außerordentlich streng geworden. Daran
sind die Deutschen schuld. Und ihr Krieg. Lillians Mutter verzieht jedes Mal
das Gesicht, wenn dieser Crott und dieser Teschner an ihre Türe klopfen.
Lillian merkt den Unmut ihrer Mutter. Sie merkt aber auch, dass sie
selbst sich freut, wenn Helmut Crott kommt. Einmal trifft es sich, dass die
beiden im Flur kurz alleine sind. »Lillian, meinen Sie, wir könnten einmal
zusammen spazieren gehen?«
»Ja, das wäre
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