Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erzaehl es niemandem

Erzaehl es niemandem

Titel: Erzaehl es niemandem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randi Crott , Lillian Crott Berthung
Vom Netzwerk:
dem Großen, dann dem Kleineren. »God dag.«
    In der Küche ist sich Lillian nicht ganz sicher, ob sie auch zu
diesen Deutschen gehen soll. Aber da hat ihr Vater schon die Tür geöffnet. Er
winkt Lillian in die Stube. »Das ist meine Tochter Lillian, die von uns allen
nur Nuri genannt wird. Das ist Herr Robert Teschner. Und das ist Herr Helmut –
?« Den Nachnamen hat John Berthung bei der Begrüßung nicht richtig verstanden.
    »Crott. Helmut Crott«, sagt der Mann mit der Hornbrille. »Ich freue
mich, Sie kennenzulernen.« Er reicht Lillian die Hand.
    So kurz der Augenblick auch ist, Lillian glaubt, in den Augen des
jungen Mannes irgendetwas gesehen zu haben. Was es ist, weiß sie nicht. »Setzen
Sie sich doch an den Tisch«, sagt sie rasch in gutem Deutsch. »Ich werde Kaffee
kochen.« Und ist schon in der Küche.
    Als sie nach einigen Minuten mit einem Tablett zurückkommt, reden
ihr Vater und dieser Robert Teschner über einen Auftrag für die Druckerei, der
wohl ziemlich eilig sein muss. Lillian schenkt den Kaffee am Tisch ein. Sie
selbst setzt sich aber auf eine Stufe der gegenüberliegenden Treppe.
    »Das ist übrigens nur Erstatningskaffe «, sagt sie entschuldigend.
»Ich kenne das deutsche Wort dafür nicht.«
    Der Mann mit der Hornbrille lacht. »Sie meinen wahrscheinlich, dass
das kein richtiger Kaffee ist, sondern Ersatzkaffee?« Lillian nickt.
    »Wir nennen es Muckefuck.« Lillian gefällt das komische deutsche
Wort. »Das klingt lustig.« Sie schaut den Vater an. »Nicht wahr, Papa?«
    Der junge Deutsche hat sich schon wieder ihr zugewandt: »Sie
sprechen ja sehr gut Deutsch, wo haben Sie das gelernt?«
    Lillian erzählt von der Schule und von den Privatstunden, und dass
sie genauso wie ihr Vater diese Sprache sehr schön findet. Der junge Mann hört
interessiert zu. Dann fragt er: »Und warum nennt man Sie Nuri?« Lillian wird
ein bisschen verlegen. »Mein älterer Bruder John hatte eine Katze, die Snuri hieß.
Kurz vor meiner Geburt muss sie wohl irgendwie verschwunden sein. Als mein
Bruder mich dann das erste Mal in meiner Wiege sah, rief er erfreut: ›Da! Neue
Nuri!‹ Damals konnte er noch kein ›s‹ sprechen. Ja, und seitdem sagen alle Nuri
zu mir.«
    »Nuri …« Der Deutsche wiederholt das Wort. Lillian hört ihren
Kosenamen zum ersten Mal in einer fremden Sprache. Bevor sie sich entscheiden
kann, ob er ihr auch mit diesem Akzent gefällt, hat ihr Vater das Wort
ergriffen.
    John erzählt, wie er vor ein paar Jahren den Platz für die Hütte
gefunden hat. Und dass sie Kveldsol – Abendsonne – heißt, weil vor allem
in Zeiten der Mitternachtssonne das Licht so besonders warm und golden auf sie
fällt. Was er im Beisein der Deutschen nicht erwähnt, ist, dass die Wehrmacht
die Hütte beschlagnahmen wollte. John ist damals außer sich gewesen. Er machte
in einem Brief darauf aufmerksam, dass er die Hütte zur Erholung von seinem
anstrengenden Druckerberuf unbedingt braucht. Und hatte damit unverhofft Erfolg
bei den Deutschen. Sie ließen ihm die Hütte.
    Während ihr Vater mit den beiden Männern redet, wird Lillian ein
bisschen unsicher, als sie bemerkt, dass dieser Helmut, dessen Nachnamen sie
nicht so richtig verstanden hat, sie die ganze Zeit zu beobachten scheint. Und
jetzt spricht er sie auch schon wieder an: »Sie laufen sicher gut Ski. Leider
komme ich aus einer Gegend, wo es nicht so oft Schnee gibt, deshalb bin ich
kein guter Skiläufer.«
    Was er für schöne braune Augen hat, denkt Lillian, und was für
gleichmäßige Zähne. Er ist zwar nicht besonders groß, aber er sieht doch ganz
wie ein Sportler aus. Und gar nicht wie ein Soldat.
    »Ihr Vater hat vorhin vorgeschlagen, dass wir morgen zusammen eine
Skitour unternehmen sollten, falls das Wetter hält.« Er schaut sie fragend an.
    »Mein Vater kann doch nicht bestimmen, mit wem ich eine Skitour
machen soll!«
    »Selbstverständlich nicht«, sagt der Deutsche schnell, und sie
meint, eine Enttäuschung gehört zu haben.
    Kurz darauf verabschieden sich die beiden Männer, danken für den
Kaffee und machen sich mit ihren Skiern wieder auf den Weg zurück.
    Abbildung 13
     
    Jeden Abend ist es Lillians Aufgabe, die Milch vom Bauernhof
auf der anderen Seite des Sees zu holen. Die Milchkannen stecken in ihrem
Rucksack. Lillian gleitet auf der gut eingefahrenen Spur entlang, und als
geübte Skiläuferin kommt sie schnell voran. Der Vollmond leuchtet über der
Schneelandschaft. Lillian summt leise vor sich hin. Auf dem Hof von Bauer

Weitere Kostenlose Bücher