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Erzaehl es niemandem

Erzaehl es niemandem

Titel: Erzaehl es niemandem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randi Crott , Lillian Crott Berthung
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Berthung
     
    Durch unsere Beziehungen haben wir den beigefügten Brief entgegengenommen,
den wir Ihnen heute zuschicken und hoffen, dass er in die richtigen Hände
kommt. Wir wären dankbar zu erfahren, ob Sie den Brief bekommen haben. Gott mit
Ihnen. Ergebenst, N.E. Antonsen.
     
    Blanche schaut sie ungeduldig an. »Nun sag schon – ist
auch was von Helmut dabei?« Lillian nickt. Sie hält Blanche einen weiteren
Briefbogen hin.
     
    Dr. jur. Helmut Crott
    Wuppertal-Elberfeld, den 27.1.1946
    Königstraße 87
    Tel. 35634
     
    Meine liebste Lillian. Vielleicht hast Du bereits einige der
vielen Briefe erhalten, die ich seit meiner Rückkehr nach Wuppertal an Dich
geschrieben habe. Ich habe es über die verschiedensten Wege versucht: Über die
Caritas, das Rote Kreuz, zwei Briefe über einen englischen Soldaten, der sie
mit auf Urlaub nach England hatte, aber zurückgebracht hat, weil der
Postverkehr nach Norwegen noch gesperrt war. Ich bin bis jetzt noch ohne Lebenszeichen
von Dir!
     
    Blanche drückt Lillian die Hand. Sie spürt, dass Lillian
jetzt alleine sein will, wenn sie weiterliest, glücklich über dieses erste
Lebenszeichen seit sieben Monaten.
     
    Bei meiner Rückkehr nach Wuppertal habe ich nicht nur meinen
Vater wiedergefunden, sondern auch meine Mutter, die sich tatsächlich unter den
37 Wuppertalern befunden hat, von deren Rückbeförderung von Theresienstadt Du
seinerzeit im dortigen Rundfunk gehört hattest. Es geschehen also doch noch
Wunder. Außerdem wohnen sie wieder in einem eigenen Heim, wo auch für Dich
genug Platz ist. Ich habe meine frühere Stellung in Düsseldorf wiederbekommen,
und daher besteht kein Hinderungsgrund, daß Du so schnell wie möglich zu mir
kommst! Im Augenblick sehe ich allerdings keinen Weg, den Du dazu benutzen
kannst, da noch jeglicher Verkehr über die Grenzen Deutschlands verboten ist.
     
    Meine Mutter legt den Brief wieder zurück zu den anderen und
schaut mich an. »Das schrieb dein Vater mir im Januar 1946, Randi. Da konnten
wir beide nicht ahnen, dass es noch weit über ein Jahr dauern würde, bis ich
die Reise zu ihm antreten konnte. Wie oft hat er von Deutschland aus über alle
möglichen Mittelsmänner versucht, meine Einreise nach Deutschland zu
organisieren, und wie oft haben sich alle Hoffnungen wieder zerschlagen.«
    Meine Mutter gibt mir zwei weitere Briefe meines Vaters. In dem vom
22. Mai 1946 lese ich: »Es ist mir gelungen, bei der hiesigen Militär-Regierung
die Genehmigung zu erhalten, dass du sofort hierherkommen kannst!«
    Und am 7. Juli 1946 schreibt er:
     
    Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet! Es ist mir völlig
unmöglich, diese Einstellung der dortigen englischen Stelle zu begreifen,
nachdem die Genehmigung der hiesigen Militärregierung vorliegt. Wie kann da nur
das Military Permit Office in Oslo anders entscheiden? Nimmt man dazu die
Schwierigkeiten unserer Familie unter den Nazis, so fällt es einem wahrhaftig
schwer, an eine Befreiung und vor allem Gerechtigkeit zu glauben! Aber
wer die Gewalt hat, hat auch das Recht.
     
    Nach langer Zeit kommt endlich auch ein Brief aus Harstad.
Lillians Vater erwähnt Helmut mit keinem Wort. Er schreibt nur, dass sie nach
Hause kommen und sich um eine Ausbildung bemühen soll. »Denk darüber nach,
Lillian. Dein Vater will das Beste für dich.« Lillian mag keine Sekunde darüber
nachdenken. Ihre Zukunft ist ein Leben mit Helmut. Sie hat nie, auch in
schwierigen Momenten, daran gezweifelt.
    Mitte Juli 1946 zieht Lillian nach Oslo, denn nur in der Hauptstadt
befinden sich die Behörden, bei denen sie sich um eine Einreisegenehmigung nach
Deutschland bemühen kann. Zunächst muss sie sich aber um eine neue
Verdienstmöglichkeit und neue Unterkunft kümmern. Sie will eine Anzeige aufgeben
und denkt lange über die Formulierung nach. Sie ist entschlossen, von Anfang an
mit offenen Karten zu spielen. Damit das Lügen und Verheimlichen endlich
aufhört.
    Dass es dadurch für sie nicht leichter wird, bekommt sie bereits zu
spüren, als sie am Schalter von Aftenposten ihre Anzeige aufgibt:
     
    »Ung,
absolutt dannet pike, forlovet med tysker, ø. midlertidlig huspost, Junges, sehr gebildetes Mädchen, verlobt mit einem Deutschen, sucht
mittelfristige Beschäftigung im Haushalt.«
    Abbildung 28
     
    Der Mann auf der anderen Seite der Theke mustert sie mit verächtlichem
Blick.
    Einige Tage später kann Lillian einige Zusendungen auf
ihre Annonce abholen. Schon die erste jagt ihr einen Schrecken ein.

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