Erzähl mir von morgen
Kopf streckte, spürte ich jede einzelne Rippe, jeden einzelnen Muskel und war erneut erleichtert darüber, dass Charlotte mich ohne große Worte zu sich geholt hatte. Ich wusste, dass ich es auch allein geschafft hätte, doch sicher wäre es um einiges schwieriger geworden.
Als ich mich schwerlich abmühte , meine Schmerzen zu verbergen, hörte ich Charlotte erschrocken einatmen. Ich musste sie nicht ansehen, um ihre Bestürzung zu erkennen, als sie meinen in allen Farben schillernden Bauch und Rücken sah.
Um sie nicht weiter der Verlegenheit auszusetzen, das hatte ich weiß Gott oft genug in meinem Leben erlebt, nahm ich mir schnell ein weites T-Shirt, das ich anstelle eines Nachthemds trug, und zog es über.
Mit meinem Sprachfehler war es seit meiner Kindheit ähnlich gewesen. Menschen, die mich nicht kannten, stuften mich entweder sofort als dumm ein oder sie meinten, Mitleid mit mir haben zu müssen. Ich war jedoch weder dumm, nur weil es mir schwer fiel, meine Worte schnell und flüssig zu sprechen, noch benötigte ich Mitleid von anderen Menschen.
Als ich als Kind sprechen gelernt hatte, so erzählte Sam mir, konnte ich ohne Probleme reden. Ich plapperte darauf los wie jedes kleine Mädchen. Mein Stottern begann , als mein Vater uns verließ. Damals war ich gerade sechs Jahre alt und konnte nicht verstehen, warum er uns im Stich ließ. Mein Sprachfehler wurde immer schlimmer und da sich unsere Mutter nicht darum kümmerte und mich nicht zu einer Sprachtherapie brachte, musste ich mit diesem Makel leben. Ich hörte schließlich irgendwann auf viel zu erzählen und begann einfach nur das Nötigste zu sprechen.
Als ich älter wurde und selbst über mein Leben entscheiden konnte, wollte ich einen dieser Sprachkurse belegen, der mich von meinem Makel befreien sollte, doch als ich die horrenden Preise für die Kurse sah, entschied ich mich dagegen. Finanziell war es niemals gut um uns gestellt gewesen.
Ich hatte mir meine eigenen Eselsbrücken gebaut. Im Laufe der Zeit hatte ich gelernt, Worte, die mir schwer fielen, zu meiden und konnte mich in normalen Situationen und bei mir bekannten Menschen recht gut ausdrücken. Nur in Situationen der Aufregung oder am Telefon fiel es mir bis heute schwer, die Worte aus meinem Kopf flüssig und ohne Pausen auszusprechen.
Ich hoffte nur, dass Celia wegen mir keinen Schaden nahm. Doch ich las ihr in unserer wenigen gemeinsamen Zeit viel vor, redete mit ihr und versuchte so viel wie möglich mit ihr zu sprechen. Dass dies meistens in der Zeit geschah, in der wir allein waren, störte uns beide nicht.
Ich legte mich vorsichtig in die flauschigen Federn. Ein frischer Geruch von Waschmittel und Sommer umwehte mich, als mein Kopf das Kissen zerdrückte und ich die dünne Sommerdecke bis unter meine Achseln hochzog.
Charlotte setzte sich kurz auf die Bettkante.
„Wirst du denn nun kom men?“ fragte sie mich. Verwirrt blickte ich sie an, bis ich verstand, was sie meinte.
Vor einigen Tagen hatte ich eine Einladung im Briefkasten gehabt und bisher natürlich nicht zugesagt. Es sollte eine Gartenparty zum bevorstehenden 60. Geburtstag von Frank stattfinden und ich war, wie zu jedem anderen Fest in den letzten sieben Jahren, eingeladen worden. In drei Wochen sollte gefeiert werden.
„Charlotte“, begann ich langsam, doch sie schüttelte nur den Kopf.
„Ich möchte keine Ausreden hören. Was damals geschehen ist, ist vergangen und wir sind einfach nur sehr froh, dich wiederzuhaben. Vor allem, weil du uns Celia geschenkt hast. Du weißt, dass wir dich nun nicht mehr gehen lassen können. Du gehörst doch zur Familie, Greta!“
Ich schluckte schwer, dann nickte ich zustimmend. Charlotte lächelte mich an, drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn und verließ leise das Zimmer.
Unsicher starrte ich zur geschlossenen Zimmertür, durch die Charlotte gerade verschwunden war. Ich spürte, wie müde ich war. Mein Körper schien sich durch das weiche, flauschige Bett endlich ausruhen zu wollen und ich gähnte leise. Dennoch war mein Kopf am Rotieren und fühlte sich an, als würde er gleich überschwappen. Gedanken jagten durch mein Gehirn und ich schob sie hin und her.
Ich war mir nicht sicher, ob es so gut war, zuzusagen. Immerhin hatte ich, als ich Nate aus dem Krankenhaus angerufen hatte, nicht über die Konsequenzen, allen Folgen meiner Entscheidung nachgedacht.
Die Mc’Cormicks, vor allem Charlotte, waren sehr liebenswürdig und hatten mich trotz
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