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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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in welchem du dich in deiner Arbeit über die Luftschichten vervollkommnet hast, in meinen Kunststücken Vollkommenheit. Eine gewisse Vollkommenheit, sagte er, gleich darauf sagte er: rascher, gehen wir rascher, der Weg auf die Sennhütte ist der weiteste, der Aufstieg auf den Scheibenboden der schwierigste, beschwerlichste, ich erinnere mich. Durch bestimmte Arm- wie auch Bein- wie auch Kopfbewegungen und deren Kontrolle, durch diesen bestimmten vorwärtsschnellenden Körperrhythmus, sagte er, ist es möglich, noch rascher zu gehen, noch rascher vorwärts zu kommen, kommen wir noch schneller vorwärts. Diesen Satz hatte er ganz im Tonfall unseres Vaters gesagt, der den Satz alle Augenblicke während unserer frühen Ortleraufstiege zu uns, die wir diese Ortleraufstiege gehaßt haben, immer gesagt hatte, um uns anzutreiben. Wenn du mich nur eindringlich beobachtest, unablässig und eindringlich, sagte mein Bruder, habe ich immer gedacht und wenn ich dich immer genauso unablässig und eindringlich beobachte, wenn wir uns gegenseitigimmer unablässig und eindringlich meine Kunststücke und deine Arbeit betreffend, der eine den andern unablässig und mit einer immer noch größeren, immer noch rücksichtsloseren Eindringlichkeit, beobachten, was er tut und wie er es tut, immerfort was und wie , bis an die Grenze der Verrücktheit, sagte er, dadurch schulten wir uns zeitlebens gegenseitig. Alles sei eine Frage der Beobachtungskunst und in der Beobachtungskunst eine Frage der Rücksichtslosigkeit der Beobachtungskunst und in der Rücksichtslosigkeit der Beobachtungskunst eine Frage der absoluten Geisteskonstitution. Weil wir schließlich an nichts als an unseren Kunststücken und an unserer Arbeit Interesse gehabt haben, sagte er, wodurch es uns in fürchterlicher Weise unmöglich gemacht worden ist, mit unserer Umwelt auszukommen, die uns dafür mit ihrem totalen Desinteresse bestrafte. Die Umwelt ignorierte uns einfach in dem Augenblick, in welchem wir an ihr keinerlei Interesse mehr hatten, sagte er, selbstverständlich. Diesen Zustand aushalten allerdings, meinte er, grenze an absolute Unerträglichkeit, andauernder Versuch oder die andauernde Versuchung oder der andauernde Wunsch zum Tode hin, sagte er, uns wie nichts vertraut. Wie gleichmäßig du immer vor und nach deinem Kunststück geatmet hast, sagte ich. Atmung ist das wichtigste, er. Wenn man die Atmung beherrscht, beherrscht man alles. In diese Schule gegangen zu sein, bereue er nicht, in die Atmungsschule, in die einzige von ihm anerkannte Schule, in die Atmungsschule. Kopf, Denken, Körper durch die Atmung beherrschen, sagte er und allein die Beherrschung der Atmung zu der schönsten aller Künste entwickeln. Zuerst hast du geglaubt, sagte ich, du beherrschst dein Kunststück nicht, weil du die Atmung nicht beherrscht hast, zuerst, du kannst dein Kunststück nicht, weil du nicht in dem Kunststück entsprechender Weise atmen kannst, wie man ja immer dem Kunststück, das man vorhat, entsprechend atmen können muß, der Arbeit, Geistesarbeit, die man vorhat, die man macht, entsprechendatmen können muß, sagte er, die Atmung ist alles, nichts ist so wichtig wie die Atmung, Körper und Gehirn allein aus der Atmung heraus, sagte er, zuerst, du kannst dein Kunststück nicht, weil du nicht dem Kunststück entsprechend atmen kannst, ich, dann, du kannst dem Kunststück entsprechend atmen, er, aber du kannst dein Kunststück nicht, das alles ein jahrelanger, ein jahrzehntelanger Prozeß, sagte er, und dann kannst du, weil du dem Kunststück entsprechend atmen kannst, dein Kunststück und kannst es nicht vortragen! Denn die Vortragskunst ist, alle Künste in allem, die allerschwierigste Kunst. Du beherrschst dein Kunststück, aber du kannst es nicht vortragen, nichts Deprimierenderes, keine größere Deprimation, kein grauenhafterer Zustand, sagte er. Daraus erklärt sich auch der Titel meiner kleinen Schrift Kunststück und Vortragskunst , ein Thema, das mich zeitlebens beschäftigt hat, wie du weißt und ein Thema, das nicht aufgehört hat, mich zu beschäftigen und ein Thema, das mich immer beschäftigen wird. Das allerheikelste Thema allerdings, sagte er, vor welchem sich nicht nur die sogenannte künstlerische Welt fürchtet. Und was für ein Thema sonst solle man angehen, sagte er, wenn nicht ein Thema, vor welchem sich die ganze Welt fürchtet. Er scheue nicht davor zurück, zu behaupten, das Thema der Vortragskunst in allen seinen Brechungen, sei das

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