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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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schief gehen können. Ich habe mir vorgestellt, er kommt mit der Samtblusen dort um die Ecke, und wie er mich erkennt, zieht er ein finsteres Gesicht und verachtet mich – oder er macht mir wenigstens einen Skandal ... Also ich sitz' da und warte. Er kommt nicht. Es ist schon fast ganz dunkel. Ich versteh' das nicht, ich denk' mir, er hat mich vielleicht schon gesehen und ist gleich auf und davon. – Denn daß er mich warten läßt, ist nie vorgekommen. Da merk' ich, daß so vielleicht zwanzig Schritt weit von mir auch ein Wagen hält – er muß schon einige Zeit da stehn, denn ich hab' in den letzten Minuten nicht gemerkt, daß einer gekommen wäre. Und aus dem Wagen steigt einer aus. Ein eleganter Herr; ein sehr eleganter Herr. Er geht auf dem Trottoir auf und ab, anfangs kann ich sein Gesicht nicht recht ausnehmen; wie er aber knapp an meinem Wagen vorbeikommt – ja, ich trau' meinen Augen nicht, ist er's! – Er, mein Dichter, der elegante Herr! Und aus dem Fiaker dort ist er ausgestiegen. Ja, zuerst verschlagt es mir die Red', und ich laß ihn vorbeigehn. Aber er dreht sich gleich um, als hätte er nur vergessen, in den Wagen hineinzuschauen, in dem ich sitz', und macht große Augen – und sagt nur – Ja, Pepi!!! – Und ich: Alfred! Alfred! Und dann fangen wir laut zum lachen an, aber so zum lachen, daß die Leut' stehengeblieben sind. – Und dann er: Ja, ist's denn möglich! Pepi! Pepi! – Weißt Du, Helene, froh waren wir zwei – das kann ich Dir gar nicht beschreiben! Dann läßt er mich aussteigen, schickt meinen Wagen fort, und wir steigen in den seinen ein, ohne eigentlich noch ein vernünftiges Wort gesprochen zu haben. Wie wir im Fiaker sitzen – indessen ist's fast ganz dunkel geworden –, sagte er: Ah, das ist aber die reine Operett'! Ah, das ist die reine Operett'! Und wiederholt das zehnmal. Der Kutscher schaut herein zu uns mit einem fragenden Gesicht – Ja richtig! ruft mein falscher Dichter, wohin fahr'n wir denn? Und ohne zu warten, was ich sag': In den Prater! – Und jetzt, im Fahren, ist das Erzählen angegangen. Also denk Dir, dieselbe Komödie, wie ich ihm, hat er mir vorgespielt. Wir haben uns gegenseitig die schönsten Komplimente gemacht. Einen leisen Verdacht hab' ich zwar immer gegen ihn gehabt. Im Prater war's wunderschön. Bis zum Lusthaus sind wir gefahren. Da sind wir die ganze Geschicht' von dem Sonntag an, wo wir uns das erstemal getroffen haben, so zum Spaß wieder durchgegangen. Und dann, um neun, sind wir auf den Konstantinhügel hinauf.
    Es sind jetzt wenig Leute mehr in Wien, die meisten, die oben gesessen sind, waren Fremde. Wir haben uns in einem Zelt ein nobles Souper auftragen lassen wie schon lange nicht. Und riesig lustig sind wir geworden. Beim Champagner hat er mir versprochen, daß wir zusammen nach Dieppe fahren. – Das ist für Dich eigentlich das Wichtigste – denn ich hoffe bestimmt, daß Du auch mit dem Deinigen hingehst. Dann werden wir wohl auch nach Paris kommen. – Überhaupt glaub' ich – der ist eine gute Akquisition, und wenn Du jetzt noch bedenkst, daß ich ihn wirklich gern hab', so bin ich bei meiner kleinen Komödie wirklich auf die Kosten gekommen. Ach, wenn ich mich erinnere, daß ich ihn noch vorgestern für einen Dichter gehalten habe!!
    Mit dem Souper auf dem Konstantinhügel will ich meinen Brief an Dich beschließen; denn wie wir nach Haus gefahren sind, bin ich von dem vielen Champagner an seiner Brust beinah eingeschlafen.
    Also leb wohl, meine gute Helene, erwarte keinen Brief von mir, ich werde Dich telegraphisch avisieren, wann ich abreise.
    Es küßt Dich
    Deine
    Josefine

Alfred von Wilmers an Theodor Dieling in Neapel

    Mein lieber Freund!
    Die Koffer sind gepackt – ich reise ab. Nicht allein. Sende Deine Briefe nach Dieppe, ich will Dir nur das in Kürze melden; von dort erfährst Du, was mit mir geschehen ist seit fünf Tagen. Heut hab' ich keine Zeit dazu. Das Abenteuer mit der kleinen Stickerin ist aus. An jenem Abend, wo ich meine Maske abwarf, ging es zu Ende. Wir haben damals viel gelacht, denn sie hat mir eine ähnliche Komödie vorgespielt wie ich ihr. Oh, Theodor, sie hat ebensowenig je gestickt, als ich je gedichtet habe. Sie ist Toiletten von fünfhundert bis tausend Gulden und Hüte um achtzig gewohnt. Sie hat Brillanten und Perlen. Sie hat eine sehr bewegte Vergangenheit hinter sich. Ich fahre mit ihr nach Dieppe und zahle ihre Rechnungen. Ich halte sie aus, und übermorgen wird sie mich betrügen. Halte

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