Erzaehlungen
während sie schläft, dicht' ich angeblich. Ja, ich habe es am ersten Tag wirklich versucht, um ihr eine Freud' zu machen – aber Du, das ist wirklich schwer. – Und dabei habe ich mir ein ganz populäres Thema gewählt – die Liebe. Aber es geht nicht. Sie ist jetzt schon ganz gekränkt, daß sie einen Dichter zum Geliebten hat, und noch immer –. Sie schlägt die Augen auf. Leb wohl!
Dein
Alfred
Josefine Weninger an Helene Beier in Paris
Meine gute Helene!
Nur in Eile, denn ich bin keine Sekunde allein. Wir sind auf dem Land, ganz verlassen. Wir haben uns noch immer ungeheuer gern, und deshalb sind wir ja aufs Land herausgezogen, wo wir ganz ungestört sind und unserer Liebe leben können. – Land ist zu viel gesagt. Wir wohnen in einem Wirtshaus, tief im Wald, hundert Meilen von allen Menschen. Die Gegend ist prachtvoll. Eine ausgezeichnete Luft, nur etwas drückend; ich schlafe halbe Tage lang. Aber für Leute, die sich lieb haben, wie geschaffen. Ungestört ist man, das ist schon unglaublich. Es ist ein wahres Glück, daß wir uns so lieb haben; sonst müßten wir vor Langeweile rasend werden. Aber er ist ein süßer Kerl, wirklich. Und ich fühle, es tut ihm so gut, nach allen seinen Schicksalen, sich da erholen zu können, in der Waldeinsamkeit. Mir tut er nur leid, daß er so gar kein Geld hat. Denn eigentlich stell' ich mir wunderschön vor, mit ihm zu reisen, das wär' so eine Überraschung, wenn ich plötzlich mit meinem Dichter bei Euch in Dieppe auftauchen möcht'! Aber es geht halt nicht! – Es ist ein wahres Glück, daß ich ihn so lieb hab', sonst führ' ich vielleicht doch im Sommer nach Dieppe. Nein, es ist sehr gut so. Geliebt werden und lieben, das ist das wahre Glück! – Da gefällt's einem überall. Da hält man's auch in der Wüste aus; davon bin ich fest überzeugt. Nur regnen dürft's nicht, das muß ich schon sagen – denn da muß es hier trostlos sein. Schreib mir nur wieder nach Wien, denn lang bleiben wir ja nicht hier – wir sind so arme Teufel!
Leb wohl, viele Küsse!
Deine
Pepi
Alfred von Wilmers an Theodor Dieling in Neapel
Mein lieber Theodor!
Wieder in Wien, seit zwei Tagen nämlich. Wir waren eine ganze Woche draußen, und wenn ich jetzt so daran zurückdenke, so muß ich wirklich sagen: es war sehr hübsch. Nur am letzten Tag war es etwas ungemütlich, stell Dir vor – einen Guß von morgens bis abends – daher war es wohl auch der letzte Tag. Oh, – sonst. Aber denk Dir nur, so stundenlang in dem miserablen Zimmer beim Fenster stehen, sich nicht hinausrühren können, weil man in Kot versinkt. – Abscheulich! Da faßten wir den Entschluß, heimzufahren. Ich sag' Dir, wie wir unsere Habseligkeiten einpackten, ach, ich glaube, so lustig waren wir eigentlich die ganzen acht Tage nicht. Es scheint überhaupt, allzugroße Zärtlichkeit schließt die Fidelität aus. – Hat ja entschieden etwas für sich, die Schwermut in der Liebe, und ich hatte ja recht, mich wieder einmal nach diesem Genre zu sehnen. Schwermut, das kann man eigentlich nicht sagen. Na, was hilft die Theorie – es war ja wunderschön, das steht fest. Es war? Hm, nein es ist, und wird sogar hoffentlich noch lange sein, wie Du sofort begreifen wirst. Eines wurde mir nämlich da draußen klar, daß sich die Geschichte mit den liegenden Kragen und dem Omnibus und den Versuchen zu dichten auf die Dauer unmöglich halten würde. – Auch das Dritteklaßfahren ist nicht meine Schwäche. – Also, jetzt hör einmal! Wie wir am Abend nach Wien hineinfahren, riskier' ich's und nehm' Billets erster Klasse. Ja, das Gesicht von dem Mädel hättest Du sehen sollen. Wie nun der Zug hält und ich sie vorbeiführe – an allen Wagen ruhig zu einem erster Klasse, der natürlich leer war! Ja, was machst denn? ruft sie. Ich ungefähr in dem Ton, als wenn ich ihr ein Fest geben wollte: Komm nur, komm nur. – Und nun sitzen wir mit einem Mal in den behaglichen samtenen Fauteuils mit den weißen Spitzenüberzügen, und sie schaut sich nur so um. – In dem Moment war sie das echte Vorstadtmädel, das in den Salon kommt. Ja, was fällt dir denn ein, ruft sie aus; aber, statt zu schmollen, wie ich's eigentlich für den ersten Moment erwartet, fällt sie mir um den Hals, küßt mich ab und springt wie ein kleines Kind in dem Kupee hin und her, so daß sie schließlich, wie sich der Zug stark bewegt, in meine Arme sinkt. Es war eine der schönsten Stunden, die wir je miteinander verbracht hatten. Jetzt könnt' ich
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