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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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hat mich angesehen und mancher angelächelt. Du warst der erste, dessen. Lächeln ich erwiderte, nicht wahr, sonst wärst Du doch auch nicht so keck gewesen und mir nachgegangen? Und Du bist auch nicht böse, daß ich Dir nicht gleich alles gestanden. Ich war ja in den ersten Tagen nahe daran. Da überlegte ich aber, daß es Dich zu sehr verstimmen könnte – und das hätte Deiner Zärtlichkeit und auch mir natürlich geschadet ... Und dann, daß ich Dir's nur gestehe, es gab wirklich Momente, da ich fast vergaß, was Du mir ursprünglich bedeuten solltest, und ich begann mich in Dich zu verlieben, wie in einen Geliebten, den man nur zu seinem Vergnügen hat. Schau, Fritz, ich muß aufrichtig sein, ich bin Dir zu viel Dank schuldig. Du weißt, daß meine Stimme wunderschön geworden ist. Von Tag zu Tag konnte ich den Fortschritt merken. Mein Gesangslehrer war frappiert. Die Agenten, denen ich vorgesungen habe, waren entzückt. Und der Direktor ... vom ... -Theater (Rhode verschwieg die Namen), vor dem ich vor acht Tagen Probe sang, hat mich sofort auf drei Jahre mit steigender Gage für erste Partien engagiert. Fritz, Fritz ... ich kann meiner Kunst leben, wie es der Traum meiner Kinder- und Mädchenjahre war. Ich werde eine gefeierte Sängerin sein, und Du wirst das Bewußtsein haben, daß ich es in Deinen Armen geworden bin. Wenn Du mich wirklich so lieb gehabt hast, wie Du mir's so oft gesagt, so muß Dir das ein Trost dafür sein, daß Du die Geliebte verloren.
    Und wer weiß, wie gern ich Dich gehabt hätte, wenn ich nicht immer daran hätte denken müssen, daß Du mir eigentlich verschrieben worden bist! Leb wohl, mein lieber Fritz, glaube, daß, während ich diesen Lebenslauf niederschreibe, eine Träne über meine Wange fließt, und denke in Güte eines Wesens, das Dir so lange dankbar sein wird, als es atmet und singt.« –
    »Hier folgt die Unterschrift«, schloß Albert Rhode und ließ den Brief auf die Marmorplatte des Tisches sinken.
    Die Freunde waren still.
    »Und du glaubst«, fragte endlich Hugo, »daß er aus diesem Grunde ...?«
    Albert Rhode nickte. »Gewiß. Ich stelle mir das auch sehr entsetzlich vor. Denk dir nur, glauben, daß man von einem jungen Mädchen angebetet wurde, und erfahren, daß sie einen – eingenommen hat. Er mußte sich ja selber nach Empfang dieses Briefes widerwärtig und unheimlich vorkommen. Die ganze Zeit, die er mit ihr verbracht hatte, mußte ihm ja als vergiftet erscheinen.«
    »Daß er sich erschossen hat wegen dieser herzlosen Person, das ist doch übertrieben und kaum zu begreifen«, fanden die Freunde.
    »Wenn man zu empfindsam ist«, sagte Rhode ...
    »Es ist sehr traurig. Und du willst uns den Namen dieser Dame nicht sagen?« – »Nein, sie wird sehr berühmt werden, dank unserm armen Fritz.«
    Der andere schüttelte den Kopf.
    »Und sein Name«, fuhr Albert Rhode fort, indem er den Brief zerknitterte und in die Tasche steckte, »sein Name – so ungerecht ist der Ruhm – wird in keiner Musikgeschichte zu finden sein.«

Arthur Schnitzler
Die Frau des Weisen

Hier werde ich lange bleiben. Über diesem Orte zwischen Meer und Wald liegt eine schwermütige Langeweile, die mir wohltut. Alles ist still und unbewegt. Nur die weißen Wolken treiben langsam; aber der Wind streicht so hoch über Wellen und Wipfel hin, daß das Meer und die Bäume nicht rauschen. Hier ist tiefe Einsamkeit, denn man fühlt sie immer; auch wenn man unter den vielen Leuten ist, im Hotel, auf der Promenade. Die Kurkapelle spielt meist melancholische schwedische und dänische Lieder, aber auch ihre lustigen Stücke klingen müd und gedämpft. Wenn die Musikanten fertig sind, steigen sie schweigend über die Stufen aus dem Kiosk herab und verschwinden mit ihren Instrumenten langsam und traurig in den Alleen.
    Dies schreibe ich auf ein Blatt, während ich mich in einem Boote längs des Ufers hin rudern lasse.
    Das Ufer ist mild und grün. Einfache Landhäuser mit Gärten; in den Gärten gleich am Wasser Bänke; hinter den Häusern die schmale, weiße Straße, jenseits der Straße der Wald. Der dehnt sich ins Land, weit, leicht ansteigend, und dort, wo er aufhört, steht die Sonne. Auf der schmalen und langgestreckten gelben Insel drüben liegt ihr Abendglanz. Der Ruderer sagt, man kann in zwei Stunden dort sein. Ich möchte wohl einmal hin. Aber hier ist man seltsam festgehalten; immer bin ich im nächsten Umkreis des kleinen Orts; am liebsten gleich am Ufer oder auf meiner Terrasse.

    Ich

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