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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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träumst davon, wie glücklich wir vor einer Stunde gewesen sind. Und auch ich bin allein in meinem Zimmer, habe mir's bequem gemacht. Eine Reisetasche steht neben dem Bett, und im Vorzimmer rumort Mama, packt noch, denn morgen früh, Fritz, lange bevor der Brief da in Deinen Händen sein darf, morgen früh reisen wir ab, Mama und ich, und in acht Tagen steh' ich das erstemal auf der Bühne. Ja, Fritz, ich hab' ein Engagement, und Dir dank' ich es, Dir gerade, der mich vielleicht niemals von seiner Seite gelassen hätte. Deine Liebe, die mir mehr gewesen ist, als Du ahntest, und weniger, als Du wolltest.
    Es ist meine Pflicht, Dir diese dunklen Worte zu erklären, ich fühle es wohl. Ich glaube, daß ich sogar ein bißchen Verzeihung brauche, denn es ist möglich, daß Du mir böse sein wirst.
    Erinnerst Du Dich des Abends, an dem wir uns das erstemal begegnet sind? Aber was frage ich Dich ... wie oft haben wir von diesem Abend miteinander gesprochen! Erst heute hast Du mir ja wieder gesagt, daß Du es nicht fassen könntest, wie Du Dich kaum eine Stunde nach dem ersten Lächeln, mit dem Du die Unbekannte auf der Straße begrüßtest, in ihren Armen – und in den Armen eines unschuldigen Mädchens fandest. Dieses Staunen, in dem wohl auch ein bißchen Stolz gewesen ist, nicht wahr, Du lieber Fritz, wird nun bald ein Ende haben. Denn was Dir damals geglückt ist, hätte vielleicht auch anderen an diesem Abend glücken können. Dein Stolz darf nur sein, daß ich Dir treu geblieben bin, denn das hab' ich an jenem Abend nicht vorhergesehen.
    Weißt Du noch, wie ich am Café Impérial vorüberging vor dem Tisch, wo Du so ganz allein dasaßest, mit den vielen Zeitungen auf dem Sessel neben Dir, die Du gar nicht anschautest? Du hast in die Luft gestarrt, und anfangs sahst Du mich auch so an, als wenn ich Luft wäre, bis Du merktest, daß auch ich Dich ansah, und da hast Du gelächelt und bist aufgestanden und bist eine Weile hinter mir gegangen in respektvoller Entfernung, bis die Entfernung und, ach Gott, auch der Respekt immer geringer wurden, und dann kamst Du näher zu mir und näher. Am Gitter des Stadtparkes hörte ich schon, wie Du leise vor Dich hin pfiffst, um Dir Mut zu machen. Und dann sprachst Du mich an: ›Erlauben Sie, mein Fräulein, daß ich mich Ihrem einsamen Spaziergange‹ ... und so weiter ... Es war nicht sehr klug, aber es hätte noch dümmer sein dürfen. Denn ich hatte Dich mit Sehnsucht erwartet. Dich, gerade Dich? Ja, Dich, denn Du bist ja der Richtige gewesen.
    An diesem Abend, mein lieber Fritz, bin ich von meinem Arzt gekommen, von meinem vierundzwanzigsten, glaub' ich. Von dem einen zum andern war ich gelaufen, ruhelos, mit der Zeit fast hoffnungslos, denn ich wollte meine schöne, meine wunderschöne Stimme wieder haben, die ich mit sechzehn gehabt hatte, und keiner konnte sie mir wiedergeben. Ja, mein Fräulein, Ihnen fehlt eigentlich gar nichts ... sagten sie alle. Aber behandelt haben sie mich alle. Du ahnst nicht, was ich ausgestanden habe. Ich bin gepinselt, elektrisiert, geätzt, massiert worden – massiert am ganzen Körper wegen zweier kleiner Stimmbänder, die nicht ordentlich schließen wollten. Man hat mich höflich, man hat mich grob, man hat mich – beinahe zärtlich behandelt. Daß ich wieder meine Stimme bekommen würde, hat mir jeder versichert, aber – und das sagten sie alle, nachdem sie mich wochenlang behandelt hatten – Sie sind ja ganz gesund. Gesund, ich! die sich gar kein Leben ohne ihre Kunst vorstellen könnte, ich, die von ihrem vierzehnten Jahre an nur von Erfolgen auf der Bühne, von einem Triumphzug durch die ganze Welt, von einer Zukunft als große und berühmte Sängerin geträumt hatte.
    Aber das ging so durch drei Jahre, durch drei volle Jahre. Auch von einem Gesangslehrer zum andern bin ich in dieser Zeit gewandert. Ich dachte, es läge vielleicht an der Stimmbildung. Und da mir jeder sagte, der vorige habe mir die Stimme verdorben, so bedeutete jeder neue für mich eine neue Hoffnung. Aber vergeblich, alles war vergeblich. Erst mein vierundzwanzigster Arzt – ich übertreibe vielleicht ein wenig, aber ich bleibe der Kürze halber bei der Zahl vierundzwanzig – hat mich gerettet, oder hat mir das Mittel zu meiner Rettung gegeben. Allerdings ist es mir seither schon manchmal so vorgekommen, als täte ich den dreiundzwanzig anderen auch Unrecht, denn sie haben es an Andeutungen nicht fehlen lassen. Aber dieser vierundzwanzigste war so deutlich, so

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