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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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verständlich genug hervor.
    »Ich erwartete nichts anderes«, entgegnete der Witwer. »Nur muß ich, so peinlich das auch sein mag, auf einige Eile in der Austragung dieser Angelegenheit dringen. Morgen mittag findet das Leichenbegängnis Annettens statt.«
    »Also übermorgen früh«, meinte Emil, wobei sein Gesicht einen außerordentlich verbindlichen Ausdruck annahm, da einige Herren von den Nebentischen zu den zweien herüberschauten.
    »Das wäre zu spät«, erwiderte ihm der Mann. »Ich muß Ihnen bemerken, daß es mein ethisches Gefühl beleidigen würde, wenn zur Zeit, da man meine ... die Tote in die Erde senkt, noch ihre beiden Männer die Möglichkeit hätten, an ihrem Grabe zu weinen ... wenn überhaupt noch beide unter den Lebenden weilten. Sie sehen das ein?«
    »Vollkommen«, erwiderte Emil, dem es unterdessen gelungen war, seine Haltung wiederzufinden. »Morgen früh also, wenn es Ihnen beliebt.« Er wollte aufstehen und sagte: »Wir können das übrige von diesem Augenblicke an den anderen Herren überlassen. Und was den Arzt anbelangt, so werde ich selbst ...«
    »Wir werden keinen nötig haben«, erwiderte ihm der Witwer, indem er sich erhob.
    Jetzt erst gewahrte Emil große Schweißtropfen, die jenem von der Stirne ins Barthaar rannen. Während er den Hut wieder aufsetzte, bemerkte er noch: »Meine Wohnung ist Ihnen bekannt. Verständigen Sie gefälligst Ihre Herren Sekundanten, daß die meinen um acht Uhr abends in meiner Wohnung ihres Besuches gewärtig sein werden.«
    Auch Emil stand auf. Der andere grüßte und ging gemessenen Schrittes auf die andere Seite der Straße. Emil, der mit einer leichten Verbeugung dankte, setzte sich wieder und griff mechanisch nach der Tasse schwarzen Kaffees, der noch unberührt vor ihm stand. Er trank und wunderte sich, daß er noch ganz warm war. Dann wollte er seine Zigarre frisch anzünden, sie brannte noch. Er fühlte, wie sein Herz klopfte, wie seine Beine zu zittern begannen und er schämte sich. Nun wollte er fort, seine Sekundanten suchen. Leutnant Fechner von den Achter-Husaren und Doktor Willner hatte er dazu ausersehen. Es fiel ihm ein, daß er dem Kellner noch nicht gezahlt habe. Morgen, dachte er einen Moment lang. Da fuhr es ihm plötzlich durch den Kopf, daß es vielleicht kein Morgen früh für ihn gäbe. Es war ihm, als könnte er sich von seinem Sessel nicht erheben. Er sah ihn sich gegenüberstehen mit der Pistole in der Hand. Wer wird den ersten Schuß haben? Unwillkürlich schwebte ihm ein Bild aus einem Witzblatte vor, wo zwei Duellanten abgebildet waren, die beide mit Pistolen, beide zugleich getroffen, der Länge nach auf den Boden hinfallen. Er versuchte sich auf den Witz zu besinnen, der unter dem Bilde stand. Doch es gelang ihm nicht. Jene zwei Leute erhoben sich am Nebentische und gingen in den Kaffeehaussaal, während einer sagte: »Also eine Partie Karambole. Ich gebe dir zehn vor.«
    Kann man heute Billard spielen, dachte Emil. Es kam ihm sonderbar vor. Jetzt erschien der Kellner, offenbar hatte Emil ihn gerufen, ohne etwas davon zu wissen. Er zahlte seinen Kaffee und stand auf. »Wenn Doktor Willner kommt, möge er auf mich warten, auch Leutnant Fechner.« Dann warf er seine Zigarre weg, die ihm nicht mehr schmeckte, und ging auf die Straße. Die Steine waren hart, die Füße schmerzten ihn. In einem Fiaker fuhr eine Schauspielerin an ihm vorüber, er mußte einen Moment stehen bleiben und sah dem hübschen Weibe voll und starr ins Gesicht. Er hätte aufschreien mögen. Jetzt erst dachte er an Annette ...
    Am nächsten Tage stand nur einer von Annettens Männern an ihrem Grabe. Der rechtmäßige! Der andre lag mit durchschossener Brust auf der Bahre. Auf der Stelle war er tot hingesunken, in das hohe, weiche Gras, und der Leutnant von den Achter-Husaren hatte ihm die Augen zugedrückt.
    »Mein Lebtag werde ich daran denken«, erzählte der am Abend seinen Kameraden im Kaffeehaus, »wie ich mit dem Toten in einem Fiaker mit herabgezogenen Rouleaux nach Wien zurückfahren mußte, weil kein anderes Fahrzeug zu finden war. Es war schauerlich. Das Blut auf seinem Hemde trocknete ein, und ich mußte den Kopf immer halten, damit er nicht vornüber sänke.«
    Alle schwiegen und waren ernst. Es kam ihnen vor, als ob die Gasflammen trüber brannten und der Kognak kein Feuertrunk wäre wie sonst. Auch das Pferdebahngeklingel auf der Straße klang müde und traurig.

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