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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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seinem Zimmer muß sie denken. Und unwillkürlich blickt sie wieder zu der nackten Frau über dem Pianino auf, die jetzt ins Leere schaut.
    Emil hat sich einen Stuhl neben den ihren gerückt. Er zieht sie an sich und küßt sie, während ihre Finger immer weiter spielen und endlich ruhig auf den Tasten liegen bleiben. Berta hört, wie der Regen an die Fensterscheiben schlägt, und ein Gefühl von Zuhausesein kommt über sie.
    Jetzt ist ihr, als wenn Emil sie in die Höhe trüge; ohne sie aus den Armen zu lassen, war er aufgestanden und führt sie langsam. Sie fühlt, wie ihr rechter Arm an der Portiere streift ... die Augen hält sie geschlossen .... Über ihren Haaren fühlt sie Emils kühlen Atem ...

    Als sie auf die Straße traten, hatte der Regen aufgehört, aber in der Luft war eine wunderbare Milde und Feuchtigkeit. Die meisten Laternen waren schon ausgelöscht, erst dort an der Straßenecke brannte wieder eine. Da auch der Himmel noch mit Wolken bedeckt war, lag eine tiefe Dunkelheit auf dem Weg. Emil hatte Berta den Arm gereicht, sie gingen schweigend. Eine Turmuhr schlug: eins. Berta wunderte sich. Sie hatte den Morgen nahe geglaubt; aber sie freute sich nun, in der weichen, stillen Luft, an seinen Arm gelehnt, stumm durch die Nacht zu wandeln, denn sie liebte ihn sehr.
    Sie traten auf einen freien Platz; vor ihnen lag die Karlskirche.
    Emil rief einen Kutscher an, der, auf dem Trittbrett seines offenen Wagens sitzend, eingeschlafen war. »Es ist so schön«, sagte Emil, »wir können noch ein bißchen spazieren fahren, eh ich dich in dein Hotel bringe – ja?«
    Der Wagen setzte sich in Bewegung. Emil hatte den Hut abgenommen, sie legte ihn auf ihren Schoß; auch das tat ihr wohl. Sie betrachtete Emil von der Seite, seine Augen schienen ins Weite zu schauen. »Woran denkst du?«
    »Ich..? Um die Wahrheit zu sagen, denk' ich an eine Melodie aus der Oper, die mir dieser Mensch Nachmittag vorgespielt hat. Aber es wird eine andere daraus.«
    »An Melodien denkst du jetzt ...?« sagte Berta lächelnd, aber mit einem leichten Vorwurf. –
    Wieder ein Schweigen. Der, Wagen fuhr langsam über die menschenleere Ringstraße, vorbei an Oper, Museum, Volksgarten.
    »Emil?«
    »Was willst du, mein Schatz?«
    »Wann werd' ich dich endlich wieder spielen hören?«
    »Ich spiele ja dieser Tage in einem Konzert.« Er sagte es, als wenn es ein Spaß wäre.
    »Nein, Emil, – du, für mich allein. Das wirst du doch einmal tun.. ja? Ich bitte dich.«
    »Ja, ja.«
    »Es läge mir soviel daran. Ich möchte, daß du weißt: es ist niemand da als ich, die dich hört.«
    »Nun ja. Aber lassen wir das doch jetzt.« Er sagte es so bestimmt, als nähme er irgend etwas vor ihr in Schutz. Sie verstand nicht, weshalb ihm das, worum sie ihn gebeten, unangenehm sein könnte, und fuhr fort: »Es bleibt doch dabei: morgen Nachmittag um fünf bei dir?«
    »Ja. Ich bin neugierig, ob es dir bei mir gefallen wird.«
    »O gewiß. Sicher ist es bei dir schöner als da, wo wir waren. Und bleiben wir den Abend zusammen? – Weißt du, ich meine nur, ob ich nicht für meine Cousine .....«
    »Aber lieber Schatz, machen wir doch lieber kein Programm.« Dabei legte er den Arm um ihren Nacken, als wollte er ihr so die Zärtlichkeit geben, die nicht im Ton seiner Worte lag.
    »Emil!«
    »Nun?«
    »Morgen wollen wir die Kreutzersonate zusammen spielen – das Andante wenigstens.«
    »Aber liebes Kind, lassen wir doch endlich die Musik. Ich glaub' schon, daß du dich riesig dafür interessierst.« Er sagte es wieder in jener unbestimmten Art, von der sie nicht wußte, ob sie spöttisch oder ehrlich gemeint war; aber sie wagte nicht zu fragen. Dabei sehnte sie sich in diesem Augenblick so sehr, ihn Violine spielen zu hören, daß es beinahe wie ein Schmerz war.
    »Ah, da sind wir ja in deiner Nähe!« rief Emil. Und als ob er ganz vergessen hätte, daß er noch eine Spazierfahrt mit ihr machen wollte, rief er dem Kutscher die Adresse des Hotels zu.
    »Emil –«
    »Nun, Liebste?«
    »Hast du mich noch lieb?«
    Statt jeder Antwort drückte er sie an sich und küßte sie auf die Lippen.
    »Sag' mir, Emil –«
    »Was denn?«
    »Aber du hast ja nicht gern, wenn man dich viel fragt ...«
    »Frag' nur, mein Kind.«
    »Was wirst du ... was pflegst du denn Vormittags zu tun?«
    »O, das ist höchst verschieden. Morgen zum Beispiel, spiel' ich in der Lerchenfelder Kirche ein Violinsolo in einer Messe von Haydn.«
    »Wirklich? Da kann ich dich ja schon morgen früh

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