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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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anderen Frauen gewesen war. Aber es war ihr ziemlich gleichgültig.
    Sie stießen mit den Gläsern an und tranken. Emil umschlang Berta und küßte sie. Dieser Kuß erinnerte sie an etwas ... Woran denn nur? ... An die Küsse von einst, da sie ein junges Mädchen war? ... An die Küsse ihres Mannes? .... Nein ... Und plötzlich fiel es ihr ein: geradeso hatte ihr kleiner Neffe sie neulich geküßt.
    Der Kellner brachte Obst und Backwerk. Emil legte für Berta einige Datteln und Trauben auf den Teller.
    »Warum sprichst du nichts?« fragte Berta. »Warum läßt du immer nur mich reden? Und du könntest doch soviel erzählen!«
    »Ich..?« Er schlürfte langsam den Wein.
    »Nun ja, von deinen Reisen.«
    »Ach Gott, es ist eine Stadt wie die andere. Du darfst ja nicht vergessen, daß ich nur selten zu meinem Vergnügen reise.«
    »Ja, natürlich.« Sie hatte die ganze Zeit nicht daran gedacht, daß es der berühmte Geigenvirtuose Emil Lindbach war, mit dem sie hier saß, und sie fühlte sich verpflichtet zu sagen: »Nächstens spielst du ja hier. Ich möchte dich gern wieder hören.«
    Er erwiderte trocken: »Niemand auf der Welt wird dich daran hindern.«
    Es ging ihr durch den Sinn, daß es ihr eigentlich viel lieber wäre, ihn nicht im Konzert, sondern für sich allein zu hören. Fast hätte sie's ausgesprochen, da fiel ihr aber ein, daß das nichts anderes hieße, als: ich will zu dir. – Und wer weiß, vielleicht ist sie sehr bald bei ihm. – Ihr wird so leicht, wie immer, wenn sie etwas Wein getrunken hat ... Doch nein, es ist anders als sonst; – nicht der sanfte Rausch, in dem sie nur ein wenig heiter wird, es ist besser, schöner. Und nicht die paar Tropfen Wein machen das, das macht die Berührung dieser lieben Hand, die ihr über Stirn und Haare streicht. Er hat sich neben sie gesetzt und zieht ihren Kopf an seine Schultern. So möchte sie einmal schlummern ... ja, wahrhaftig, nichts anderes möchte sie .... Jetzt hört sie ihn flüstern: »Schatz ...« Sie zittert leise. Warum erst heute? Hätte sie das nicht alles früher haben können? Was hatte das überhaupt für einen Sinn, so zu leben wie sie? ... Das, was sie jetzt tat, war doch nichts Böses ... Und wie süß war es, den Atem eines jungen Mannes über den Augenlidern zu fühlen .... Nein, nein – nicht eines jungen Mannes ... eines Geliebten .... Sie hatte die Augen geschlossen. Sie versuchte gar nicht, sie wieder zu öffnen, wollte gar nicht wissen, wo sie war, mit wem sie war .... Wer ist's denn nur? ... Richard? ... Nein ... schläft sie denn ein? ... Sie ist hier mit Emil ... Mit wem? .... Wer ist denn dieser Emil? ... Wie schwer das ist, sich darüber klar zu werden! ... Dieser Hauch über ihren Lidern, ist der Atem ihres Jugendgeliebten – und zugleich der eines berühmten Künstlers, der nächstens ein Konzert gibt ... und zugleich eines Menschen, den sie viele tausend Tage nicht gesehen hat ... und zugleich der eines Herrn, mit dem sie allein im Restaurant sitzt und der jetzt mit ihr machen kann, was er will .... Sie fühlt seinen Kuß auf den Augen .... Wie zärtlich er ist ... und wie schön .... Wie sieht er denn nur aus? .... Sie braucht nur die Augen zu öffnen, und sähe ihn ganz genau .... Aber sie will ihn lieber sich vorstellen, ohne ihn zu sehen .... Nein, wie komisch – das ist ja gar nicht sein Gesicht! ... Das ist ja das des jungen Kellners, der eben hinausgegangen ... Wie sieht denn nur Emil aus? ... So –? ... Nein, nein, das ist ja Richard ... Aber fort.. fort ... Ist sie denn so gemein, daß sie an lauter andere Männer denkt, während sie ... mit ihm .... Wenn sie nur die Augen öffnen könnte! ... Ah! – Sie bewegt sich heftig, so daß sie Emil beinahe fortstößt, – jetzt reißt sie die Augen weit auf.
    Emil sieht sie lächelnd an und fragt: »Hast du mich lieb?« Sie zieht ihn an sich und küßt ihn selbst, zum ersten Male heut küßt sie ihn selbst, und zugleich fühlt sie, daß sie jetzt etwas tut, was einem Vorsatz von heut morgen widerspricht ... Was wollte sie nur? – Sich nichts vergeben, sich versagen ... Ja, gewiß war irgendein Moment, in dem sie das wollte, aber warum? Sie hat ihn ja lieb, und der Augenblick ist da, den sie seit Tagen erwartet, – nein, seit Jahren! – Noch immer ruhen ihre Lippen aufeinander ....Ah, sie möchte in seinen Armen ... sie möchte ganz die Seine sein! – Er soll nichts mehr reden ... er soll sie mit sich nehmen .... er wird es fühlen, daß ihn keine andere so lieben

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