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Erzaehlungen

Erzaehlungen

Titel: Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schnitzler
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»Sie haben ihn mir doch selbst genannt. Neulich, auf der Landungsbrücke.«
    »Ganz recht. Verzeihen Sie, Frau Baronin.«
    »Also, liebe Frau Heinold, ich wollte sagen: Wenn
ich
einen Sohn hätte, und er würde sich – zum Beispiel in eine Frau wie Sie verlieben, ich weiß nicht – ich glaube, ich könnte mir für einen jungen Menschen ein besseres Debüt gar nicht vorstellen.«
    Beate rückte den Sessel, als wollte sie aufstehn.
    »Wir sind doch hier Frauen unter uns«, meinte Fortunata beschwichtigend.
    »Sie haben keinen Sohn, Frau Baronin ... und dann –« Sie hielt inne.
    »Ach ja, Sie meinen, es wäre dann auch noch ein gewisser Unterschied. Mag sein. Aber dieser Unterschied würde die Angelegenheit – für meinen Sohn – nur bedenklicher machen. Denn Sie, Frau Heinold, würden so eine Sache ja wahrscheinlich ernst nehmen. Hingegen ich – ich! Ja wirklich, je mehr ich es mir überlege, Frau Heinold, es wäre klüger gewesen, wenn Sie mit der entgegengesetzten Bitte zu mir gekommen wären. Wenn Sie mir Ihren Sohn« – und sie lächelte mit halbgeschlossenen Augen – »sozusagen ans Herz gelegt hätten.«
    »Frau Baronin!« Beate war fassungslos. Sie hätte schreien mögen.
    Fortunata lehnte sich zurück, kreuzte die Arme unter dem Kopf und schloß die Augen völlig. »Solche Dinge kommen nämlich vor« ... Und sie begann zu erzählen. »Vor – leider recht vielen Jahren, irgendwo in der Provinz, da hatte ich eine Kollegin, die damals ungefähr so alt war, wie ich jetzt. Sie spielte das heroisch-sentimentale Fach. Zu der kam eines Tages die Gräfin ... nun, der Name tut nichts zur Sache ... Also ihr Sohn, der junge Graf, hatte sich in ein Bürgermädel verliebt, aus guter, aber ziemlich armer Familie. Beamte oder so was. Und der junge Graf wollte das Mädel durchaus heiraten. Dabei war er noch nicht zwanzig. Und die Gräfin Mutter – wissen Sie, was die kluge Dame tat? Eines schönen Tages erscheint sie bei meiner Kollegin und redet mit ihr ... und bittet sie ... Na – kurz und gut, sie arrangiert das so, daß ihr Sohn in den Armen meiner Kollegin das Bürgermädel vergißt und –«
    »Ich bitte, doch von solchen Anekdoten lieber abzusehen, Frau Baronin.«
    »Es ist keine Anekdote. Es ist eine wahre Geschichte, und eine sehr moralische obendrein. Eine Mesalliance wurde verhindert, eine unglückliche Ehe, vielleicht gar ein Selbstmord oder ein Doppelselbstmord.«
    »Mag sein«, sagte Beate. »Aber all das gehört doch gar nicht her. Ich bin jedenfalls anders als diese Gräfin. Und für mich ist der Gedanke ganz einfach unerträglich ... unerträglich –«
    Fortunata lächelte und schwieg eine Weile, als wollte sie eine Beendigung des Satzes erzwingen. Dann sagte sie: »Ihr Sohn ist sechzehn ... oder siebzehn?«
    »Siebzehn«, erwiderte Beate und ärgerte sich sofort, daß sie so gehorsam Auskunft erteilt hatte.
    Fortunata schloß die Augen halb und schien sich irgendeiner Vision hinzugeben. Und sie sagte wie aus einem Traum: »Da werden Sie sich wohl an den Gedanken gewöhnen müssen. Bin ich's nicht, so ist es eine andere. – Und wer sagt Ihnen –« aus den plötzlich geöffneten Augen kam ein grünes Schillern – »daß es eine Bessere sein wird?«
    »Wollen Sie, Frau Baronin,« erwiderte Beate mit mühseliger Überlegenheit, »diese Sorge getrost mir überlassen.«
    Fortunata seufzte leise. Plötzlich schien sie ermüdet und sagte: »Nun, wozu länger darüber reden. Ich will Ihnen gern gefällig sein. Also, Ihr Herr Sohn hat nichts von mir zu fürchten – oder, wie man es vielleicht auch auffassen könnte, zu hoffen ... Wenn Sie nicht« – und nun waren ihre Augen groß, grau und klar, »überhaupt auf einer falschen Fährte sind, Frau Heinold. Denn ich, ganz aufrichtig, nun, mir ist es bisher nicht aufgefallen, daß ich auf Hugo« – sie ließ den Namen langsam auf der Zunge zergehen – »einen sonderlichen Eindruck gemacht hätte.« Und sie sah Beate unschuldsvoll ins Gesicht. Diese, dunkelrot geworden, hatte die Lippen wortlos aneinander gepreßt. »Also, was soll ich tun?« fragte Fortunata schmerzlich. »Abreisen? Ich könnte ja meinem Gatten schreiben, daß mir die Luft hier nicht zusagt. Was glauben Sie, Frau Heinold?«
    Beate zuckte die Achseln. »Wenn Sie nur wirklich wollen, ich meine, wenn Sie die Güte haben wollten ... ... sich um meinen Sohn nicht zu kümmern, ... es wird ja nicht so schwer sein, Frau Baronin, Ihr Wort würde mir genügen.«
    »Mein Wort? Bedenken Sie nicht,

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