Erzählungen
hatte.
Die erduldeten Martern aber waren unzweifelhaft jenen des Lebendigbegrabenseins völlig gleich. Sie waren schrecklich – wie waren unsagbar grauenhaft. Doch der schlimme Umstand hatte eine günstige Folge. Meine Seele bekam Ruhe und Haltung. Ich ging auf Reisen. Ich unterwarf mich körperlichen Anstrengungen. Ich atmete freie Himmelsluft. Ich dachte an andere Dinge als Tod. Ich entfernte meine medizinischen Bücher. Buchan verbrannte ich. Ich las keine Nachtgedanken , keine bombastischen Kirchhofsmärchen und Schauergeschichten – wie diese hier. Binnen kurzem wurde ich ein neuer Mensch und führte ein männliches Leben. Seit jener denkwürdigen Nacht verlor ich für immer meine Todesgedanken, und mit ihnen verschwanden meine kataleptischen Zustände, von denen sie vielleicht weniger die Folge als die Ursache gewesen waren.
Es gibt Augenblicke, wo selbst dem klugen Auge der Vernunft die Welt unseres traurigen Menschendaseins als Hölle erscheint; aber die Phantasie des Menschen vermag ihre ewigen Grüfte nicht ungestraft zu durchstreifen! Weh! Die grausigen Legionen der Grabesschrekken sind keine Hirngespinste; doch gleich den Dämonen, in deren Gesellschaft Afrasiad den Oxus hinabschiffte, müssen sie schlafen, oder sie verschlingen uns – muß man sie schlummern lassen, oder wir gehen zugrunde.
MESMERISTISCHE ENTHÜLLUNGEN
Mesmeric Revelation ()
Wenn man sich über eine eigentliche Theorie des Magnetismus auch noch unklar ist, so glaubt man jetzt doch im allgemeinen schon an seine erstaunlichen Wirkungen. Alle, die noch zweifeln, sind Zweifler von Profession – eine unnütze, ohnmächtige und wenig ehrenwerte Gesellschaft. Es wäre heute nur noch Zeitverschwendung, wenn man beweisen wollte, daß der Mensch durch eine bloße Willensanstrengung seinen Mitmenschen so beeinflussen kann, daß er in eine anormale Verfassung gerät, deren Erscheinungen denen des Todes sehr ähnlich sind oder ihnen wenigstens näher kommen, als die Erscheinungen irgendeines anderen, normalen und uns bewußten Zustandes; daß ferner während der ganzen Dauer dieses Zustandes die so beeinflußte Person nur mit Anstrengung und folglich sehr schwach die äußeren Organe der Sinne gebrauchen kann und dennoch mit sonderbar geschärftem Empfindungsvermögen und auf bis jetzt unbekannten und vielleicht nicht zu erkennenden Wegen Dinge wahrnimmt, die außerhalb des Erfassungsvermögens unserer Physis liegen; daß überdies seine intellektuellen Fähigkeiten sich in wunderbarer Weise stärken, sich steigern, und daß die geheime Beziehung zu demjenigen, unter dessen Einfluß die betreffende Person steht, eine sehr tiefe und innige ist; und endlich, daß die Empfänglichkeit für die Beeinflussungen mit jedem Versuche wächst und zu gleicher Zeit die bewirkten Erscheinungen in gleichem Maße ausgedehnter und ausgesprochener auftreten.
Ich sage also, daß es überflüssig ist, diese verschiedenen Tatsachen, in deren allgemeinem Wesen das Gesetz des Mesmerismus beschlossen liegt, beweisen zu wollen – und will meine Leser mit einer so zwecklosen Beweisführung denn auch nicht belästigen. Meine Absicht ist eine ganz andere: Ich möchte – einer ganzen Welt von Vorurteilen zum Trotz – ohne Erläuterungen, doch mit allen Einzelheiten, ein sehr merkwürdiges Zwiegespräch zwischen einem Schlafwachen und mir selbst hier wiedererzählen.
Ich hatte seit langer Zeit die Gewohnheit, die betreffende Person, einen Herrn Vankirk, in magnetischen Schlaf zu versetzen und ihn schon dahin gebracht, daß er eine besonders starke Empfänglichkeit für magnetische Einflüsse zeigte. Bereits seit mehreren Monaten litt Herr Vankirk an vorgeschrittener Schwindsucht. Durch meine Striche hatte ich ihm bedeutende Erleichterung verschafft, so daß ich nicht besonders überrascht war, als er mich Mittwoch, den ., nachts an sein Lager rufen ließ.
Der Kranke litt an heftigen Schmerzen in der Herzgegend, zeigte alle Symptome des Asthmas und atmete infolgedessen sehr schwer.
Bei ähnlichen Krämpfen hatte er meist durch Auflegen von Senfpflaster auf die Nervenzentren Erleichterung gefunden. In dieser Nacht jedoch war dieses Hilfsmittel erfolglos geblieben.
Als ich in das Zimmer trat, begrüßte er mich mit einem liebenswürdigen Lächeln und schien sich, obwohl er starke körperliche Schmerzen litt, seelisch sehr wohl zu befinden.
»Ich habe nach Ihnen geschickt,« sagte er, »weniger um mir eine körperliche Erleichterung zu
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