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Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)

Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)

Titel: Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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Geheimniß waltet fortwährend über diesem mächtigen Zauber. Dies ist, o König, alles, was wir zu berichten haben, und unser Auftrag geht dahin, dich zu bitten, zu dem Thurm zu kommen und dein Schloß an dem Portale zu befestigen, wie von allen deinen Vorgängern geschehen ist.«
    Nachdem die alten Männer so gesprochen, verneigten sie sich tief und verließen den Audienzsaal. [Fußnote:
Perdida de Espana por Albucasim Tarif Abentarique , lib. I. cap. 6. – Chronica del Rey Don Rodrigo por el Moro Razis . lib. I. cap. 1. – Bleda , Chronica, cap. VII.
– Der Verf. ]
    Don Roderich stand nach dem Weggehen der Greise eine Zeitlang in Gedanken verloren; er entließ dann seinen ganzen Hof, den ehrwürdigen Urbino ausgenommen, der damals Erzbischof von Toledo war. Der lange weiße Bart dieses Prälaten zeugte von seinem vorgerückten Alter, und seine überhängenden Augenbraunen verriethen, daß er ein Mann von verständigem Rathe war.
    »Vater,« sagte der König, »ich hege den ernstlichen Wunsch, in die Geheimnisse dieses Thurmes einzudringen.«
    Der würdige Prälat schüttelte sein altergraues Haupt.
    »Hütet Euch, mein Sohn,« sagte er; »jene Geheimnisse sind dem Menschen zu seinem Besten verschlossen. Eure Vorgänger seit vielen Geschlechtern haben dieses Geheimniß geehrt, und ihre Macht, ihr Reich mehrte sich und gedieh. Die Bekanntschaft mit dem Geheimniß ist daher nicht wesentlich zu der Wohlfahrt Eures Königreichs erforderlich. Sucht also nicht einer raschen und unnützen Neugierde nachzugeben, welche unter so schrecklichen Drohungen verboten worden ist.«
    »Welche Wichtigkeit haben,« rief der König, »die Drohungen Herkules’, des Lybiers? War er nicht ein Heide? können seine Zauber gegen einen Bekenner unseres heiligen Glaubens etwas ausrichten? Ohne Zweifel umschließt jener Thurm reiche Schätze von Gold und Juwelen, welche in den Tagen der Vergangenheit dort aufgehäuft wurden, die Beute mächtiger Könige, die Reichthümer der heidnischen Welt. Meine Koffer sind erschöpft; ich brauche Zuschuß; und gewiß wäre es in den Augen des Himmels eine nicht zu verschmähende Handlung, diese Schätze, welche unter gottlosem, schwarzkünstlerischem Zauber liegen, an das Licht zu ziehen und sie religiösen Zwecken zu weihen.«
    Der ehrwürdige Bischof fuhr fort, dem Könige abzurathen, aber Don Roderich achtete seines Rathes nicht, denn sein böser Stern riß ihn fort.
    »Vater,« sagte er, »vergeblich versucht Ihr, mich von meinem Entschlusse abzubringen. Er ist unwiderruflich. Morgen werde ich das verborgene Geheimniß oder vielmehr die verborgenen Schätze dieses Thurmes erforschen.«
    Siebentes Kapitel.
    Geschichte des wunderbaren und verhängnißvollen Thurmes.
    Die Morgensonne lachte glänzend auf die klippenerbauten Thürme von Toledo, als König Roderich an der Spitze eines zahlreichen Gefolges von Höflingen und Rittern aus dem Thore der Stadt und über die Brücke zog, welche über das tiefe, felsige Bette des Tajo geschlagen ist. Der glänzende Reiterzug wand sich den Weg hinauf, der in das Gebirg führt, und kam bald in die Nähe des Zauberthurmes.
    Von diesem berühmten Gebäude wissen die arabischen und spanischen Chronikenschreiber Wunder zu erzählen, »und ich zweifle sehr,« sagt der ehrwürdige Agapida, »ob viele Leser das Ganze nicht für ein scharfsinnig erfundenes Mährchen halten, das einer morgenländischen Phantasie entstammt ist; es ist aber meine Sache nicht, eine Thatsache zu verwerfen, welche von allen jenen Schriftstellern erzählt wird, welche die Väter unserer Nationalgeschichte sind; eine Thatsache, zu welcher sich überdies eben so viele Belege finden, wie zu den meisten wunderbaren Begebenheiten in der Geschichte Don Roderich’s. Nur leichtsinnige und gedankenlose Geister,« fährt der gute Mönch fort, »weisen das Wunderbare übereilt von sich. Für den denkenden Mann ist die ganze Welt in Geheimniß gehüllt, und in dem Kleinsten ist Bedeutung und Sinn. Einem solchen Geiste wird der zauberhafte Thurm von Toledo als eines jener wunderbaren Denkmäler der vergangenen Zeit erscheinen, als eines jener egyptischen und chaldäischen Bauwerke, reich ausgestattet mit verborgener Weisheit und geheimnißvollen Wahrsagungen, welche aus vergangenen Jahrhunderten stammen, wo der Mensch sich noch des Verkehrs mit erhabenen und geistigen Naturen erfreute und die menschliche Voraussicht etwas Prophetisches hatte.«
    Dieser seltsame Thurm war rund und von bedeutender Höhe

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