Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
und Größe; er war auf einen hohen Felsen gebaut und von wildem Geklipp und steilen Klüften umgeben. Das Fundament wurde von vier ehernen Löwen getragen, deren jeder größer war, als ein Reiter zu Pferd. Die Mauern bestanden aus kleinen Jaspisstückchen und vielfarbigen Marmorsteinen: keiner dieser Steine war größer, als eines Mannes Hand; allein sie waren so genau an einander gefügt, daß man, wären die verschiedenen Farben nicht gewesen, das Ganze für einen Stein gehalten hätte. Sie waren mit einer wunderbaren Kunstfertigkeit an einander gefügt, so daß sie Kämpfe und Kriegsthaten von Zeiten und Helden darstellten, die längst dahin gegangen. Die ganze Oberfläche war so bewundernswürdig geglättet, daß die Steine wie Spiegel glänzten und die Strahlen der Sonne mit einer solchen schimmernden Pracht zurückwarfen, daß das Auge des Beschauers sich geblendet wegwandte. [Fußnote: Der genauen Beschreibung zu Folge, welche der wackere Mönch nach den alten Chroniken von diesem Thurme gibt, scheinen die Mauern von farbiger Mosaik-Arbeit gewesen zu sein. – Der Verf. ]
König Roderich und sein Hof kamen staunend und sich wundernd an den Fuß des Felsen. Hier befand sich ein schmaler gewölbter Weg, welcher in den Felsen gehauen war; dies war der einzige Eingang in den Thurm. Er war durch ein massives eisernes Thor geschlossen, das mit rostigen Schlössern von verschiedener Arbeit und in dem Geschmacke verschiedener Jahrhunderte, wie die Vorgänger des Don Roderich sie nach und nach daran gehängt hatten, versehen war. Auf jeder Seite des Portals stand einer der alten Wächter des Thurmes, mit den zu den Schlössern gehörigen Schlüsseln beladen.
Der König stieg von seinem Pferde, näherte sich dem Thore und befahl den Wächtern, den Eingang zu öffnen. Die grauköpfigen Wächter fuhren bei diesen Worten erschreckt zurück.
»Ach,« sagten sie, »was verlangt Euer Majestät von uns? Sollen wir das Unheil dieses Thurmes erschließen und es loslassen, daß es die Erde bis in ihre Grundvesten erschüttere?«
Auch der ehrwürdige Bischof Urbino flehte ihn an, ein Geheimniß schlummern zu lassen, das seit Menschengedenken von Geschlecht zu Geschlecht heilig gehalten worden war und in welches selbst Cäsar, als Spanien unter seiner Gewalt war, nicht einzudringen wagte. Die jungen Ritter brannten jedoch vor Eifer, dieses Abenteuer zu bestehen, und ermuthigten ihn in seiner raschen Neugier.
»Komme, was da kommen mag,« rief Don Roderich aus: »ich bin entschlossen, in dieses Geheimniß des Thurmes einzudringen.«
Bei diesen Worten befahl er den Wächtern abermals, das Portal zu öffnen. Die alten Männer gehorchten unter Beben und Bangen; ihre Hände aber zitterten vor Alter, und als sie die Schlüssel brauchen wollten, waren die Schlösser so alterrostig oder von so ungewöhnlicher Arbeit, daß ihre schwachen Anstrengungen sich vergeblich erwiesen. Die jungen Ritter drängten sich nun herzu und leisteten Hülfe. Der Schlösser waren aber doch so viele und die Behandlung derselben so schwierig, daß trotz ihrem Eifer und ihrer Stärke ein großer Theil des Tages verging, ehe man derselben bis zum letzten Meister geworden war,
Als der letzte Riegel endlich dem Schlüssel gewichen war, baten die Wächter und der ehrwürdige Erzbischof den König nochmals, einzuhalten und zu erwägen, was er thue.
»Was auch in diesem Thurm sein mag,« sagten sie, »es ist jetzt noch harmlos und unter einem mächtigen Zauber gebunden; wagt es nicht, ein Thor zu öffnen, das einen Strom von Unglück über das Land führen kann.«
Aber der Zorn des Königs war erwacht, und er befahl, daß das Portal augenblicklich geöffnet werden sollte. Vergeblich jedoch bot Einer nach dem Andern seine Stärke auf; und in gleicher Weise vergeblich vereinigten die Ritter ihre Kräfte und stemmten ihre Schultern gegen das Thor: obgleich weder Schloß noch Riegel mehr Widerstand leistete, war es doch nicht zu bewegen.
Die Geduld des Königs war jetzt erschöpft, und er trat vor, selbst Hand anzulegen; er hatte jedoch das eiserne Thor kaum berührt, so ging es langsam auf und ließ, wie es sich aus seinen Angeln drehte, ein unheilverkündendes Aechzen hören. Ein kalter, feuchter Wind, von einem wilden Klange begleitet, brach hervor. Die Herzen der alten Wächter zitterten in ihrer Brust, und ihre Kniee schlugen an einander; viele der jungen Ritter aber stürzten in den Thurm, glühend, ihre Neugierde zu befriedigen oder sich bei diesem
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