Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
gefürchteten Abenteuer auszuzeichnen. Sie waren jedoch kaum einige Schritte vorgedrungen, so fuhren sie, durch die verdorbene Luft oder durch irgend eine furchtbare Erscheinung überwältigt, zurück. [Fußnote:
Bleda , Chronica, cap. VII.
– Der Verf. ]
Der König befahl jetzt, Feuer anzuzünden, um die Dunkelheit zu verscheuchen und die lange eingeschlossene und ungesunde Luft unschädlich zu machen. Er schritt nun selbst in das Innere voran; allein sein Fuß schwankte und säumte, obgleich er ein Mann von starker Seele war.
Nachdem er eine kleine Strecke vorgeschritten war, kam er in eine Halle oder ein Vorgemach, an dessen gegenüberliegender Wand eine Thüre war; vor dieser Thüre stand auf einem Fußgestelle eine riesenhafte Gestalt von Bronzefarbe und von schrecklichem Anblick. Sie hielt eine ungeheure Keule in der Hand und schwang dieselbe ohne Unterlaß, wobei sie so wilde und widerhallende Streiche auf den Boden führte, daß es unmöglich war, in die Thüre einzudringen.
Der König blieb bei’m Anblick dieser schreckhaften Gestalt stehen; denn er wußte nicht zu sagen, ob er ein lebendes Wesen oder eine durch Zauberkunst gebildete Statue vor sich habe. Auf ihrer Brust trug sie eine Rolle, auf welche in großen Buchstaben geschrieben war: »Ich thue meine Pflicht.« [Fußnote:
Bleda , Chronica, cap. VII.
– Der Verf. ]
Nach kurzer Weile faßte Don Roderich ein Herz und redete sie mit großer Feierlichkeit an.
»Was du auch sein magst,« sagte er, »wisse, daß ich nicht gekommen bin, dein Heiligthum zu schänden, sondern das Geheimniß, welches es umschließt, zu erforschen; ich beschwöre dich daher, mich ungehindert vorüber zu lassen.«
Die Gestalt ließ die aufgehobene Keule ruhen, und der König und sein Gefolge schritten unbelästigt durch die Thüre.
Sie traten nun in einen großen Saal von schöner und kostbarer Bauart, welche schwer zu beschreiben ist. Die Mauern waren mit den edelsten Steinen bedeckt, welche so zusammengefügt waren, daß sie eine glatte und glänzende Flache bildeten. Das hohe Gewölbe schien sich selbst zu tragen und schimmerte von tausend Edelsteinen, welche wie die Sterne am Himmel glänzten. In dem ganzen Gebäude war weder Holz noch irgend ein anderer der gewöhnlichen und gemeinen Baustoffe zu erblicken. Kein Fenster oder andere Oeffnung ließ das Licht des Tages zu, und doch war in dem ganzen Innern ein glänzender Schimmer verbreitet, der von den Wänden wiederzustrahlen schien und jeden Gegenstand auf das Deutlichste beleuchtete.
In der Mitte dieses Saales stand ein Tisch von Alabaster, prachtvoll gearbeitet, auf welchen in griechischen Buchstaben eingegraben war, daß des Alceus Sohn, Herkules, der Thebaische Grieche, diesen Thurm im Jahre der Welt drei tausend und sechs gebaut habe.
Auf diesem Tische stand ein goldenes Kistchen, rundum reich besetzt mit kostbaren Steinen und mit einem Schloß von Perlenmutter geschlossen, und auf dem Deckel las man folgende Worte:
»In diesem Kistchen ist das Geheimniß des Thurms enthalten; Keines Hand kann es öffnen, als die eines Königs. Aber er mag sich hüten! denn wunderbare Begebenheiten werden ihm enthüllt werden, die eintreffen, bevor er aus der Welt scheidet.«
König Roderich streckte seine Hand kühn nach dem Kistchen aus. Der ehrwürdige Erzbischof aber legte die Hand auf seinen Arm und machte ihm die letzten Vorstellungen.
»Hütet Euch, mein Sohn!« sagte er; »steht ab, dieweil es noch Zeit ist. Blickt nicht in die geheimnißvollen Beschlüsse der Vorsehung. Gott hat sie in seiner Gnade unsern Augen verhüllt, und es ist gottlos, den Schleier zu zerreißen, durch welchen sie bedeckt werden.«
»Was habe ich von der Kenntniß der Zukunft zu fürchten,« versetzte Roderich mit der Miene stolzer Anmaßung. »Ist mir Gutes bestimmt, so freue ich mich dessen in der Erwartung; droht mir Böses, so werde ich gerüstet ihm entgegen gehen.«
Bei diesen Worten öffnete er rasch das Schloß.
In dem Kistchen fand er nichts, als ein zwischen zwei Kupfertafeln eingeschlagenes Stückchen Leinwand. Als er es entfaltet hatte, erblickte er darauf gemalte Gestalten von Reitern wilden Aussehens, nach Art der Araber in Turbane und vielfarbige Kleider gekleidet, mit von ihren Hälsen niederhangenden Säbeln und Armbrusten, die hinten am Sattel befestigt waren, und Fahnen und Banner tragend, welche mannichfache Verzierungen hatten. Ueber diesen war folgende Inschrift in griechischen Buchstaben:
»Unbesonnener König!
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