Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
daran, das eiserne Portal wieder zu schließen und all das Unheil, das das Land zu überschwemmen drohte, in den Zauberthurm zu bannen. Aber ha! als sie des Thurmes ansichtig wurden, bot sich ihren Augen ein neues Wunder dar.
Ein Adler wiegte sich hoch in den Lüften und schien vom Himmel niederzuschweben. Er trug in seinem Schnabel einen Feuerbrand, ließ sich auf der Zinne des Thurmes nieder und fachte das Feuer mit seinen riesigen Schwingen an. Nach einer kleinen Weile stand das ganze Gebäude in hellen Flammen, als wenn es aus Harz aufgebaut gewesen wäre, und die Flammen stiegen mit einem Glanze in die Luft empor, welcher den der Sonne übertraf; und das Feuer ruhte nicht eher, als bis jeder Stein verzehrt und das Ganze nichts als ein Haufe Asche war. Dann kam eine große Schaar kleiner, dunkelfarbiger Vögel, welche den Himmel wie eine Wolke verfinsterten, und schwebten nieder und kreis’ten rund um die Asche und verursachten durch die Bewegung ihrer Flügel einen so starken Wind, daß sie in der Luft verflog und über ganz Spanien zerstreut ward, und wo das kleinste Stäubchen dieser Asche den Boden berührte, war es wie ein Blutflecken.
Ferner wird von alten Leuten und den Chronikenschreibern früherer Zeiten erzählt, alle die, auf welche der Staub gefallen, seien später in dem Kampfe getödtet worden, als die Araber das Land eroberten, und die Zerstörung dieses magischen Thurmes sei ein Wahrzeichen und Fingerzeig des herannahenden Falles von Spanien gewesen.
»Mögen alle die,« fährt der bedächtige Mönch fort, »welche die Wahrheit dieses wunderbaren Begebnisses in Zweifel zu ziehen für gut finden, die bewundernswürdigen Quellen unserer Geschichte, die Chronik des Mauren Rasis und das Werk, »der Fall Spaniens« betitelt, von dem Mauren Abulkasim Tarif Abentarique, zu Rath ziehen. Sie mögen ferner noch den ehrwürdigen Geschichtschreiber Bleda und die Masse anderer katholischer Schriftsteller Spaniens lesen, welche dieses Ereigniß zu besprechen Gelegenheit nahmen, und sie werden sich überzeugen, daß ich nichts erzählt habe, was nicht schon früher gedruckt und unter der Aufsicht und Genehmigung unserer heiligen Kirche veröffentlicht worden war. Gott allein kennt die Wahrheit aller dieser Dinge; ich erzähle nur, was mir aus alten Zeiten überliefert worden ist.«
Achtes Kapitel.
Graf Julian. – Seine Schicksale in Afrika. – Er hört von der Entehrung seines Kindes. – Sein Benehmen darauf.
Der Gang unserer Erzählung führt uns nun zu einer Andeutung der Schicksale des Grafen Julian, nachdem er Toledo verlassen, um seine Statthalterschaft auf der Küste der Barbarei wieder anzutreten. Er ließ die Gräfin Frandina zu Algeziras, seiner väterlichen Besitzung; denn die Provinz, welche unter seinem Befehle stand, war durch den Einfall der Araber bedroht. In der That fand er, als er zu Ceuta ankam, diesen Platz durch die Alles bedrängenden Muselmänner sehr gefährdet. Die Araber des Osten, die Anhänger Mahomet’s, hatten viele der mächtigsten Königreiche des Morgenlandes unterjocht und ihren Herrschersitz zu Damaskus aufgeschlagen, wo zu jener Zeit Waled Almanzor, [Fußnote: Von den Arabern Walid Ben Abdelmelek genannt. – Der Uebers. ] mit dem Beinamen »das Schwert Gottes«, den Thron inne hatte.
Von hier hatte sich der Strom der muselmännischen Eroberung weiter, bis zu den Gestaden des atlantischen Meeres, gewälzt, so daß ganz Almagreh oder das westliche Afrika der Fahne des Propheten unterworfen worden war, einen Theil von Tingitanien ausgenommen, das die Meerenge entlang lag und eben die Provinz war, welche die gothischen Spanier besaßen und welcher Graf Julian vorgesetzt war. Die arabischen Eindringlinge waren hundert tausend Mann stark, und die Mehrzahl des Heeres bestand aus alten gedienten Kriegern, die im Kriege abgehärtet und an den Sieg gewöhnt waren. Ihr Anführer war ein alter arabischer Kriegsheld, Musa Ben Nosair genannt, welchem die Statthalterschaft von Almagreh anvertraut worden war, das er selbst größtentheils erobert hatte. Dieser alte Krieger hegte den Ehrgeiz, die muselmännischen Siege vollständig zu machen, indem er die Christen von den Gestaden Afrika’s verjagte; in dieser Absicht bedrohten seine Truppen die wenigen den Gothen noch bleibenden festen Plätze Tingitaniens, während er in eigener Person die Belagerung von Ceuta zu leiten beschloß. Der arabische Häuptling war durch seine fortdauernden glücklichen Erfolge vertrauensvoll und
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