Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)
zuversichtlich geworden und glaubte, nichts könne ferner seinen Waffen und der heiligen Fahne des Propheten widerstehen. Ungeduldig über die langwierigen Zögerungen einer regelrechten Belagerung, führte er seine Truppen kühn gegen die felserbauten Thürme von Ceuta und versuchte es, den Platz durch Sturm zu nehmen. Der Angriff war wild und ungestüm, und der Kampf verzweifelt. Die dunkelfarbigen Söhne der Wüste waren gewandt und kräftig und von ungestümem Geist; aber die Gothen, welche auf diesem Grenzposten an jede Gefahr gewöhnt waren, besaßen noch ganz ihren alten kühnen Muth und die blinde Verachtung jeder Gefahr, während ihre Brüder in Spanien in hohem Grade erschlafft und verweichlicht waren. Auch hatten sie einen Anführer, der im Kriegswesen erfahren war und nach Ruhm dürstete. Nach einem heftigen Kampfe wurden die muselmännischen Stürmenden auf allen Punkten zurückgeworfen und von den Mauern der Stadt vertrieben. Graf Julian brach aus seiner Veste heraus und griff sie in ihren Verschanzungen an, und das Blutbad war so groß, daß der alte Musa sich freute, sein Lager abbrechen zu können, und die Belagerung tief gedemüthigt aufhob.
Der Sieg, den Graf Julian erfochten, hallte in ganz Tingitanien wieder und verbreitete allgemeine Freude. Ueberall hörte man das Jubelgeschrei, und das Lob des Grafen Julian ertönte aus jedem Munde. Das Volk begrüßte ihn auf jedem seiner Schritte als seinen Befreier, und überall rief man Segen auf sein Haupt herab. Graf Julian’s Herz schlug stolz, und seine Brust schwoll im Bewußtsein seiner Kraft; aber es war ein edler, tugendhafter Stolz; denn er wußte, daß er den Segen seiner Landsleute verdient hatte.
Inmitten seiner Freude und während der Jubel des Volkes noch in seinen Ohren wiederklang, langte der Page an, welcher den Brief seiner unglücklichen Tochter trug.
»Welche Nachrichten vom König?« fragte der Graf, als der Page vor ihm kniete.
»Keine, mein Gebieter!« versetzte der Jüngling: »aber ich bringe einen Brief, welchen Dona Florinda in aller Eile sendet.«
Er nahm den Brief aus seinem Busen und reichte ihn dem Grafen dar. Wie ihn Graf Julian las, verfinsterte sich sein Antlitz und sein Herz kochte.
»Dies,« sagte er bitter, »ist mein Lohn, weil ich einem Tyrannen diente; dies ist die Ehre, welche mein Heimathland auf mein Haupt häuft, während ich in einem fremden Lande seine Schlachten kämpfe. Möge das Unglück mich treffen und die Schande auf meinem Namen lasten, wenn ich je raste, bevor ich in vollem Maase Rache genommen!«
Graf Julian’s Leidenschaften waren ungestüm, und er hörte in seinem Zorne auf keinen Rath. Er war ungemein hohen Geistes, aber er kannte den wahren Edelsinn nicht; war er verwundet, so kehrte er Alles zu Gift und Galle. Ein düsterer, boshafter Haß bemächtigte sich seiner Seele, nicht allein gegen Don Roderich, sondern gegen ganz Spanien. Er betrachtete jetzt sein Vaterland als den Schauplatz seiner Schande, als das Land, wo seine Familie entehrt worden; und indem er die Unbilden zu rächen bedacht war, welche er von seinem Monarchen erfahren hatte, ersann er gegen sein Geburtsland einen der schwärzesten Verrätherplane, auf die je ein menschliches Herz verfallen war.
Graf Julian’s Plan war, König Roderich von seinem Throne zu stoßen und Spanien in die Hände der Ungläubigen zu überliefern. Wie er diesen verrätherischen Plan in’s Werk zu richten und auszuführen sann, schien sein ganzer Charakter ein anderer geworden zu sein. Jedes hohe und edle Gefühl war in ihm erstickt, und er ließ sich zu der gemeinsten Heuchelei herab. Seine erste Sorge war, seine Familie der Gewalt des Königs zu entziehen und sie aus Spanien zu entfernen, bevor seine Verrätherei bekannt würde; sodann dachte er darauf, sein Vaterland der ihm noch bleibenden Vertheidigungsmittel gegen die einfallenden Feinde zu berauben.
Mit diesen schwarzen Vorsätzen in dem Herzen, aber offenen und heitern Antlitzes, ließ er sich nach Spanien übersetzen und begab sich an den Hof von Toledo. Wohin er kam, empfing man den siegreichen Feldherrn mit allgemeinem Jubel, und strahlend von dem Siege zu Ceuta trat er vor seinen König. Er verbarg vor Don Roderich seine Mitwissenschaft an der Schmach, welche seinem Hause widerfahren war, und nahm die Miene der treuesten Ergebenheit und Liebe gegen seinen Monarchen an.
Der König überschüttete ihn mit Gunstbezeugungen; denn er wollte sein eigenes Gewissen beschwichtigen, indem er
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