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Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)

Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition)

Titel: Erzählungen von der Eroberung Spaniens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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steht.«
    Eines Tages gelang es aber den jungen Männern, ihren Vater für ihre Plane zu stimmen und ihn zu überreden, in die Ebene hinab zu ziehen. Abdalasis ergriff sogleich die günstige Gelegenheit und warf sich zwischen die Gothen und ihre Bergvesten. Theudemir sah zu spät die Gefahr, in welche er sich hatte verlocken lassen.
    »Was vermögen unsere ungeübten Schaaren,« sagte er, »gegen eine solche Reiterei, welche sich wie feste Schlösser daher bewegt? Laßt uns einen schnellen Rückzug nach Orihuela bewerkstelligen und uns hinter seinen Mauern vertheidigen.«
    »Vater,« sagte der älteste Sohn, »es ist zu spät zum Rückzug; bleibt hier mit der Nachhut, während mein Bruder und ich vorrücken. Fürchte nichts; bin ich denn nicht dein Sohn und würde ich nicht sterben, um dich zu vertheidigen?«
    »In Wahrheit,« erwiederte der alte Krieger, »ich beginne zu zweifeln, ob du mein Sohn bist. Wenn ich nun hier bleibe, und ihr alle getödtet werdet – wo finde ich dann Jemand, der mich schützt? Komm,« setzte er hinzu, indem er sich zu seinem zweiten Sohne wendete – »komm, ich habe das Vertrauen, daß du wirklich mein Sohn bist; laß uns eilen, uns zurückzuziehen, bevor es zu spät ist.«
    »Vater!« erwiederte der Jüngste: »ich hege keinen Zweifel, daß ich in allen Ehren und in jeder Hinsicht dein Sohn bin, und als solcher ehre ich dich; allein ich bin in gleicher Weise meiner Mutter verpflichtet, und als ich in den Krieg zog, gab sie mir ihren Segen, so lange ich als tapfrer Mann mich halten würde, aber auch ihren Fluch, wenn ich mich als einen Feigling erweisen und vom Kampfplatz fliehen würde. – Fürchte nichts, Vater; ich werde dich schützen, so lange du lebst, und selbst dann noch, wenn du todt bist. Es soll dir niemals an einem ehrenvollen Grabe bei deinen Vorfahren fehlen.«
    »Die Pest auf euch beide,« rief Theudemir, »als ein Paar untergeschobenen Narren! Glaubt ihr, mir liege etwas daran, wo ihr meine irdische Hülle niederlegt, wenn ich todt bin? Eines Tages Leben in einer elenden Hütte wiegt ein Jahrhundert auf, während dessen ich in einem Marmorsarg begraben liege! Kommt, meine Freunde,« setzte er hinzu, indem er sich zu den vornehmsten Rittern wandte – »laßt uns diese heißköpfigen Gelbschnäbel verlassen und unsern Rückzug bewerkstelligen; wenn wir noch länger zögern, werden wir den Feind auf dem Nacken haben.«
    Als die Ritter und stolzen Hidalgos diese Worte hörten, wandten sie sich höhnisch ab, schüttelten die Köpfe und sprachen: »Wofür haltet Ihr uns, daß Ihr glaubt, wir würden dem Feinde den Rücken zeigen? Vorwärts! war von jeher das gute gothische Losungswort, und mit diesem wollen wir leben und sterben!«
    Während man die Zeit mit diesen Zwistigkeiten vergeudete, rückte das Heer der Moslemen immerdar weiter, bis der Rückzug nicht mehr möglich war. Der Kampf war stürmisch und blutig. Theudemir focht wie ein Löwe; es war jedoch Alles umsonst. Er sah seine zwei Söhne und die Mehrzahl ihrer raschen Gefährten niederhauen, während die undisciplinirte Schaar seiner Gebirgstruppen nach allen Seiten flüchtete.
    Da er sah, daß ihm keine Hoffnung mehr blieb, ergriff er den Zügel eines seiner Lieblingspagen, der ihm nahe war und im Begriff stand, seinem Pferde die Sporn zu geben, um die Berge zu erreichen.
    »Gehe nicht von mir,« sagte er, »sondern höre du wenigstens auf meinen Rath, mein Sohn! Und wahrhaftig, ich glaube, du bist mein Sohn; denn du bist der Sprößling einer meiner Mägde, die mir hold war.«
    Und wirklich glich ihm der Jüngling auffallend. Er wandte jetzt die Zügel seines eigenen Rosses, gab ihm die Sporen und floh in aller Hast, während der Page ihm folgte; und sie hielten nicht an und rasteten nicht, bis sie die Mauern von Orihuela erreicht hatten.
    Er befahl sofort, die Thore zu schließen und zu verrammeln, und bereitete Alles zum Empfange des Feindes vor. In der Stadt waren nur wenige Männer, welche die Waffen handhaben konnten, da die meisten jungen Leute in dem Kampfe gefallen waren. Er ließ daher die Frauen männliche Kleidung anlegen, Helme und Hüte aufsetzen, lange Rohre statt der Lanzen in die Hände nehmen und ihre Haare unter dem Kinn zusammen binden, so daß sie Bärte zu haben schienen. Mit diesen Truppen besetzte er die Mauern und Thürme.
    Um die Dämmerstunde näherte sich Abdalasis mit seinem Heere, ließ aber Halt machen, als er die Zinnen der Mauern so zahlreich besetzt sah. Jetzt nahm Theudemir die

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