Erzählungen
stattgefunden haben, die dann wiederum von einem neuen Aufstieg abgelöst wurde.
Sofr, verwirrt durch diese seltsamen Funde, verfolgte seine Forschungen weiter. Die Lehmschicht wurde immer tiefer erforscht, bis zu einer Dicke, die wenigstens fünfzehn-bis zwanzigtausend Jahre alt sein mußte. Jenseits dieser Schicht fand man dann eine uralte Lage von Humus, und unter dieser Lage kam der nackte Fels von verschiedener Beschaffenheit. Was aber das Erstaunen der Forscher auf den Gipfel brachte, waren einige dort angetroffene, unbestreitbar menschliche Überreste. Es handelte sich um Knochenteilchen, die zu menschlichen Skeletten gehört hatten, ferner um Fragmente von Waffen oder Werkzeugen, um Töpfereiprodukte, um Fetzchen von Inschriften in einer noch unbekannten Sprache, um Feuersteine, die auf künstlerische Art behauen schienen, teils in Form von fast unversehrten Statuen und zart behauenen Kapitellen und dergleichen mehr. Aus den angetroffenen Funden mußte man logischerweise schließen, daß vor ungefähr vierzigtausend Jahren, also etwa zwanzigtausend Jahre vor der Zeit, in der man die ersten Menschen vermutet hatte, bereits Menschen an derselben Stelle gelebt und wahrscheinlich eine schon sehr hohe zivilisatorische Stufe erreicht haben mußten.
Das jedenfalls war die allgemeine und anerkannte Schlußfolgerung. Doch auch hier gab es wenigstens einen, der damit nicht einverstanden war: dieser eine war kein anderer als Sofr. Zuzugeben, daß andere menschliche Wesen – getrennt von ihren Nachfolgern durch einen Abgrund von mindestens zwanzigtausend Jahren – als erste die Erde bevölkert haben sollten, das war seiner Ansicht nach einfach irrsinnig. Woher sollten in diesem Falle deren Nachkommen, von denen sich nicht die geringste Spur finden ließ, gekommen sein? Da war es schon besser, noch zuzuwarten, als eine derart absurde Hypothese anzunehmen. Daß diese Tatsachen vorderhand unerklärlich waren, bedeutete nicht, daß sie es auch in Zukunft bleiben würden. Eines Tages würde dies alles klar werden. Bis dahin sollte man sich darüber gar nicht Rechenschaft abzulegen versuchen, sondern sich an die Grundsätze halten, die als einzige die reine Logik befriedigen:
Das planetare Leben läßt sich in zwei Phasen gliedern: vor dem Menschen – seit dem Menschen. Während der ersten Phase ist die Erde in ständiger Umwandlung begriffen und daher unbewohnbar und unbewohnt. Wahrend der zweiten ist die Erdrinde in einen Zustand der Kohäsion getreten und erlaubt eine gewisse Stabilität. Und sofort – da nun eine solide Grundlage vorhanden ist – erscheint das Leben. Es beginnt mit den einfachsten Formen, kompliziert sich dann ständig, um schließlich im Menschen seinen Höhepunkt zu finden, die letzte, höchste Vollkommenheit. Und kaum ist der Mensch auf der Welt, arbeitet er auch schon unermüdlich an seinem Erfolg, an seinem Aufstieg. Mit langsamem, stetigem Schritt nähert er sich seinem Ziel, der vollkommenen Erkenntnis, der absoluten Beherrschung des Universums.
Mitgerissen von der eigenen brennenden Überzeugungskraft seiner Theorien, war Sofr am eigenen Hause vorbeigestürmt. Nun machte er rechtsumkehrt und schimpfte:
›Was denn! Soll ich denn zugeben, daß der Mensch schon vor vierzigtausend Jahren eine Zivilisation erreicht haben soll, die der unsrigen entspricht oder sie gar noch übertroffen haben soll? Daß seine Erkenntnisse, seine Errungenschaften verschwunden sein sollen, ohne die geringste Spur zu hinterlassen, in einem Maße, daß seine Nachkommen sich gezwungen sehen, das ganze Werk von vorn zu beginnen, als seien sie die Pioniere einer vor ihnen völlig unbewohnten Welt? … Das hieße ja die Zukunft verleugnen, hieße, daß unsre Anstrengungen nichtig sind und daß aller Fortschritt so flüchtig und unsicher ist wie die Schaumkrone auf einer Welle!‹ Sofr blieb vor seinem Hause stehen:
›Upsa ni! … Hartschok! … (Nein, nein, wahrlich nicht! …), Andart mir’hoë spha! …‹ (Der Mensch ist Herr über die Dinge! …) – murmelte er und stieß die Haustür auf.
Nachdem sich der Zartog einige Augenblicke ausgeruht hatte, speiste er mit gutem Appetit, dann legte er sich zur täglichen Mittagsrast lang hin. Doch die Probleme, die er gewälzt hatte, als er auf dem Heimweg war, beschäftigten ihn immer noch und verjagten seinen Schlaf.
So groß seine Sehnsucht war, die unwiderlegliche Einheit in den Methoden der Natur festzulegen, hatte er doch einen zu kritischen Geist, als daß
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