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Erzählungen

Erzählungen

Titel: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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schlossen.
    Doch nun, nach diesen zweihundert Jahren des Friedens, schien sich eine fünfte Epoche anzukünden. Seit einiger Zeit kursierten – unerklärlich woher – üble Gerüchte. Denker waren aufgestanden, die in den Seelen der Menschen Erinnerungen aus alten Zeiten wachzurufen versuchten, Erinnerungen, von denen man angenommen hatte, sie seien längst ausgelöscht. In neuer Form erlebte der Rassengedanke seine Wiederauferstehung, in neuer Terminologie. Es wurde ständig von ›Atavismus‹ geredet, von ›Affinitäten‹, von ›Nationalitäten‹ und dergleichen mehr – alles Wortschöpfungen neuerer Art, die, offenbar aus einem inneren Bedürfnis heraus, im Nu die Stadt eroberten. – – Interessengruppen, die sich nach Heimatgemeinden, nach physischen Gesichtspunkten, nach moralischen Tendenzen oder ganz einfach nach Wohngebieten oder klimatischer Zugehörigkeit richteten, bildeten sich und wuchsen zusehends, wurden aktiv. Wie sollte diese Entwicklung ausgehen? Sollte das kaum erstandene Reich wieder auseinanderfallen? Würde das Mahart-Iten-Schu wieder in eine Unzahl von Nationen aufgeteilt, oder würde zumindest – damit die Einheit beibehalten werde – wieder ein Blutbad angerichtet, wie es während Jahrtausenden der Fall gewesen, als die Erde noch ein riesiges Beinhaus war? …
     
    Sofr verwarf diesen Gedanken mit einer unwilligen Bewegung seines Kopfes. Weder er noch sonst einer konnte die Zukunft lesen. Warum also dieser ungewissen Ereignisse wegen, die vielleicht gar nie eintraten, den Kopf hängen lassen? Und übrigens war heute kaum der Tag, diesen finsteren Hypothesen nachzuhängen. Der heutige Tag war der Freude gewidmet, und da durfte man einzig und allein an die Größe des Mogar-Si, des zwölften Kaisers des Hars-Iten-Schu, denken, unter dessen Zepter die Welt einer glorreichen Bestimmung entgegenging.
    Und überdies mangelte es einem Zartog nicht an Gründen zum Fröhlichsein. Außer dem Historiker, der die Jahrbücher des Mahart-Iten-Schu studiert hatte, war von einer Plejade von Wissenschaftlern (aus Anlaß des großartigen Geburtstages) entsprechend ihren Spezialgebieten die Bilanz menschlichen Wissens zusammengetragen worden. Sie hatten dabei die Stufe der Errungenschaften ihres Jahrhunderts festgelegt, die die Menschen ihrer Zeit besonders hochstellte. Nun, wenn der Historiker in einem gewissen Sinne betrübliche Überlegungen angestellt hatte, indem er mitteilte, welch ein langer und gewundener Weg hatte zurückgelegt werden müssen, um die Menschen aus ihrer ursprünglichen Vertiertheit zu lösen, hatten die übrigen Gelehrten dem berechtigten Stolz ihrer Zuhörer Nahrung verliehen.
    Wahrlich, der Vergleich zwischen dem, was der Mensch gewesen, als er nackt und unbewaffnet auf diese Welt gekommen, und dem, was er heutzutage war, mußte wohl Bewunderung erregen. Trotz Zwietracht und brudermörderischem Haß hatte er doch nicht einen Augenblick seinen Kampf gegen die Natur unterbrochen und unaufhörlich seinen Sieg über sie erweitert. Sein Triumphmarsch, der erst langsam begonnen, hatte sich in den eben vergangenen zweihundert Jahren beschleunigt, und die Stabilität der politischen Einrichtungen sowie der Weltfriede, der eine direkte Folge davon war, hatten einen wunderbaren Aufschwung der Wissenschaft hervorgebracht. Die Menschheit hatte nicht mehr bloß ihre Arme und Beine gebraucht, sondern auch einmal den Kopf; sie hatte zu denken begonnen, anstatt sich in sinnlosen Kriegen auszugeben – und deshalb war sie in den letzten zwei Jahrhunderten immer rascher vorwärtsgekommen in der Erkenntnis und in der Bezwingung der Materie …
    In großen Zügen skizzierte Sofr – während er in der glühenden Sonne auf der langen Hauptstraße von Basidra dahinging – das Bild der menschlichen Eroberungen.
    Der Mensch hatte – in dunkler Vorzeit bereits – die Schrift erfunden, damit er seine Gedanken festzuhalten vermochte; dann – und das war auch schon über fünfhundert Jahre her – hatte er eine Methode erfunden, das geschriebene Wort in einer Unzahl von Exemplaren zu vervielfältigen, wofür er sich einer Gußform bediente, die ein für allemal feststand. Aus dieser Erfindung wurden eigentlich alle anderen entwickelt. Dank ihr war der Geist in Schwung gekommen, hatte sich die Intelligenz des Einzelnen um diejenige seines Nächsten vermehrt, hatten sich die Entdeckungen in theoretischer und praktischer Reihenfolge wunderbar vervielfältigt. Heute wurden sie kaum mehr

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