Es begann im Birkenhain (Heimatroman) (German Edition)
und nach Laub. Tief sog der junge Mann diesen Duft in seine Lungen. Dann blieb er stehen, fuhr sich mit der Hand über das blauschwarz glänzende, lockige Haar und schickte einen Blick aus seinen braunen Augen in das Tal hinunter.
Heimat! Welch ein Wort und welch ein Gefühl. Schön war es, wieder in der Heimat zu sein. Martin Jaus hatte das Dörfl Briggs vor vielen Jahren verlassen müssen. Jetzt hatten sie ihn endlich ziehen lassen, und nichts auf der Welt hätte ihn davon abhalten können, in die Heimat zurückzukehren.
Ein wenig bang schlug dem jungen Mann das Herz schon, als er den Kirchturm von Briggs in der Ferne im Sonnenlicht leuchten sah. Wie mochte wohl alles daheim sein? Die Mutter hatte ihm zwar viele Male geschrieben, doch ihre Zeilen sagten nie etwas Rechtes aus. Dazwischen jedoch vermochte Martin Leid und Tränen zu erkennen. Oh, wie oft war er im Heim auf seiner Kammer gewesen, hatte den Kopf in das Kissen gebohrt und bitterlich vor sich hingeschluchzt.
Da hatte es keine Hand gegeben, die sich ihm hilfreich entgegengestreckt hatte. Allein war er gewesen mit seinen Gedanken und mit seinem Kummer. Er war für etwas bestraft worden, was er nicht getan hatte. O ja, so unendlich viel Bitterkeit war in ihm gewachsen, und er hatte niemals geglaubt, seinem einstigen Jugendfreund Christian Liebeiner die gemeine Verleumdung verzeihen zu können.
Jetzt aber dachte er anders. Auch wenn seine Stirn sich bei den Gedanken an das Gewesene doch noch umwölkte. War der Christian nicht damals auch ein Bub gewesen, so wie er einer war? Durfte man einem Kind etwas nachtragen, wenn es etwas in
Unwissenheit und vielleicht aus Furcht falsch gemacht hatte?
So kehrte Martin Jaus mit den allerbesten Vorsätzen in seine Heimat zurück. Freilich lag seine Zukunft jetzt noch im Dunklen. Er hatte allerdings im Heim eine Lehre als Schreiner abschließen dürfen. Vielleicht war es ihm deshalb möglich, im Säg werk von Reitzenstein eine passende Arbeit zu finden. Zuerst einmal wollte der Bub die Mutter und das Zuhause w iedersehen. Er wollte das Gefühl der unendlichen Sehnsucht nach der Heimat stillen, das ihn all die Jahre über nicht verlassen hatte.
Und dann war da noch ein Umstand, der ihm manchmal Sehnsucht bereitete. Das war die Löwinger-Barbara. Er schloss seine Augen und versuchte, sich an damals zu erinnern. Mager war sie gewesen und klein. Mit ihren flachsblonden Zöpfen und den hellen Augen. Nie hatte er ihr vergessen, wie oft sie ihn getröstet hatte. Obgleich sie doch etwas jünger gewesen war als er. Nie hatte er Barbaras liebe, gute und sanfte Stimme vergessen.
Jetzt malte er sich aus, wie sie wohl heute aussehen mochte. Wie ging es ihr? Würde er sie sehen dürfen, oder war die alte Fehde, verbunden mit dem alten Vorwurf, noch alleweil nicht vergessen und vorbei?
Zwischen Zögern und raschen Schritten näherte er sich nun dem Ort.
Am Dorfrand gab es zur Rechten einen Acker. Dort grub die alte Reuterin ihre Kartoffeln aus. Martin blieb stehen und betrachtete die Alte bei ihrer Arbeit. Wie grau und bucklig sie doch geworden war. Daran erkannte er, dass viel Zeit über das Land hinweggegangen war.
Er zauderte ein wenig. Er schwankte zwischen dem Wunsch, ein paar Worte mit ihr zu plaudern, um so herauszufinden, ob sie ihn vielleicht erkannte. Doch gleichzeitig hatte er den Gedanken, einfach grußlos weiterzugehen.
»Grüß dich Gott, Reuterin!« rief er ihr mit etwas belegt-klingender Stimme zu.
Die Alte hob den krummen Rücken und schob ihr Kopftuch ein wenig höher in die Stirn, das sie, der Sonne wegen, herabgezogen hatte. Jetzt schirmte sie mit der Hand ihre Augen, weil die Sonne sie zu blenden schien.
»Grüß Gott«, sagte sie. Doch diese Worte klangen eher wie eine Frage. Sie stutzte und kam dann langsam näher. Sie betrachtete den Burschen. Von oben bis unten schaute sie ihn prüfend an und dann noch einmal umgekehrt.
»Wenn ich nur wüsste, wo ich dich hintun soll«, sagte sie schließlich ratlos.
»Kennst mich gewiss nimmer?«, fragte Martin etwas bang.
»Im Augenblick wüsst ich's nit«, sagte sie verwundert,
»Ich bin's doch - der Martin.«
Da hellte sich ihr Gesicht nach einer kleinen Weile auf.
»Jesses, der Martin!« rief sie dann. »Mei, Bub, bist du groß geworden.«
»Ha, ja«, sagte Martin lächelnd. »Aus Kindern werden halt Leute.«
»Ja, ja«, murmelte die Reuterin. »Daran merkt man, dass man alt wird. Soso, Martin. Bist also wieder daheim.«
»Ja, endlich bin ich wieder
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