Es begann im Grand Hotel
wie sie es niemals für möglich gehalten hätte.
Ein Mann betrat das Hotel. Obwohl die Halle nur schwach beleuchtet war, erkannte Brooke ihn sofort. Er war wirklich der Letzte, den sie hier je erwartet hätte. Denn ihre Familien konkurrierten seit Jahren geschäftlich miteinander. Und die Rivalität hatte sich nur noch verstärkt, seit Jordan an die Stelle seines Vater getreten und die Firmenleitung übernommen hatte.
Warum war Jordan heute also hier?
Vehement unterdrückte sie den Impuls, Jordan gute Absichten zu unterstellen. Brooke zwang sich, wie ihre Geschwister zu denken und misstrauisch zu sein. Die Antwort auf ihre Frage lag auf der Hand. Offenbar war Jordan ins Hotel ihres Bruders Stephen gekommen, um zu sehen, mit welchen Neuerungen die Konkurrenz die Hotelgäste begeisterte. Und damit verschaffte er Brooke ungewollt eine gute Gelegenheit, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen.
Mit der trägen Geschmeidigkeit eines Löwen durchquerte Jordan den Raum. Nein, „träge“ war nicht das richtige Wort.
Wenn sie endlich die Haltung ihrer Geschwister annahm, musste sie es anders sehen: Dann würde ein Jefferies eine träge Haltung vortäuschen, um seine Beobachter abzulenken. Brooke musste zugeben, dass es ihm in jedem Fall ausgezeichnet gelang. Fasziniert ließ sie den Blick über sein attraktives Gesicht und seinen muskulösen Körper schweifen.
Natürlich fiel ihr nicht zum ersten Mal auf, wie umwerfend gut Jordan aussah. Er war zwar der Feind der Familie, aber deshalb war Brooke nicht gleich blind. Bis jetzt hatte sie ihn lediglich als einen Mann wahrgenommen, der absolut tabu für sie war.
Brooke hätte nicht sagen können, wie oft sie ihren ältesten Bruder Parker nach einem konfliktreichen Geschäftstreffen mit Jordan schon hatte toben hören vor Wut. Jedes Mal hatte Brooke versucht, Parker zu besänftigen und eine friedliche Lösung vorzuschlagen. Darin war sie jedoch allzu oft gescheitert.
Heute hatte die Verlesung des Testaments die ganze Familie erschüttert. Brooke erinnerte sich mit Schaudern an die abfälligen Worte ihrer Mutter.
Der hinterhältige Mistkerl. Ich bin froh, dass er tot ist.
Wieder kam der Barkeeper zu ihr und riss sie aus ihren Gedanken. „Kann ich noch etwas für Sie tun, Miss Garrison?“
Garrison. Sie konnte ihrer Familie nicht entfliehen. Genauso wenig wie sie Frieden schaffen konnte. Warum gab sie sich also überhaupt noch so viel Mühe damit?
Plötzlich kam ihr eine Idee, und ihr Herz klopfte schneller.
Nach einem derart furchtbaren Tag verspürte sie das dringende Bedürfnis, etwas zu unternehmen. Bestimmt würde Parker sich aufregen, das war ihr in diesem Moment allerdings gleichgültig.
„Ja, Donald, Sie können wirklich etwas tun. Bitte sagen Sie dem Gentleman dort drüben …“ Sie wies unauffällig in Jordans Richtung. „… dass seine Drinks heute Abend aufs Haus gehen.“
„Gern, Miss Garrison.“ Der Barkeeper lächelte diskret und ging zum anderen Ende der schimmernden Theke. Nachdem er die Nachricht weitergegeben hatte, hielt Brooke erwartungsvoll den Atem an.
Was würde Jordan Jefferies davon halten, dass sie einfach seine Drinks bezahlte? Wahrscheinlich schloss er daraus nichts weiter, als dass eine Garrison seine Gegenwart zur Kenntnis genommen hatte.
Würde er sich überhaupt an sie erinnern? Doch, das sicher schon, dachte sie. Er war ein kluger Geschäftsmann, natürlich kannte er alle Garrisons. Die Frage war wohl eher, ob er sie von ihrer Zwillingsschwester Brittany unterscheiden konnte.
In diesem Moment sah er zu ihr herüber, und ihre Blicke begegneten sich. Trotz der schummrigen Beleuchtung erkannte sie deutlich, wie intensiv seine blauen Augen glänzten. Und sein angedeutetes Lächeln zeigte einen Hauch von Interesse.
Jordan nahm sein Glas und bahnte sich einen Weg an den anderen Gästen vorbei, um seelenruhig und ohne zu zögern auf Brooke zuzugehen. Schließlich stellte er seinen Drink auf die Theke, direkt neben ihren. „Ich hätte von einer Garrison keine so nette Begrüßung erwartet. Sind Sie sicher, dass Sie den Barkeeper nicht gebeten haben, meinen Drink zu vergiften, Brooke?“
Er hatte sie erkannt. Oder war es nur ein Zufallstreffer?
„Woher wollen Sie wissen, dass ich nicht Brittany bin?“
Lächelnd streckte er die Hand aus und wies, ohne sie zu berühren, auf eine Locke, die ihr in die Stirn gefallen war. „Deswegen. Eine solche eigensinnige Haarsträhne ist charakteristisch für Brooke.“
Sosehr es sie auch
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