Es bleibt natürlich unter uns
anerkennend die Hand.
„Darf ich meine Frau sehen?“ fragte er; es war ihm vom Munde gegangen, als sei er seit Jahren verheiratet.
„Heute nur für eine Minute... Aber ich werde Sie zuerst zu Ihrer Tochter führen.“
Sie ging voraus und ließ ihn vor einer Glaswand stehen, hinter der fünf hohe Korbbettchen mit kleinen Baldachinen zu erblicken waren, fünf kleine Betten, aus denen ein mörderisches Geschrei ertönte, als zöge man junge Katzen an den Schwänzen. Schwester Gertrudis nickte Lothar Lockner, der ein etwas mißtrauisches Gesicht machte, ermunternd zu, langte mit geübtem Griff in eines der Säuglingsbetten hinein und holte daraus ein weißes Bündel hervor. Auf dem Handteller präsentierte sie ihm einen winzigen Kopf mit einem komischen, krebsroten Gesicht, das aber bereits eine gewisse Menschenähnlichkeit zu haben schien, denn es besaß zwei Ohren, zwei Augen, zwei lächerlich kleine Nasenlöcher und einen zahnlosen Mund, aus dem es brüllte, was die Lungen hergaben. Schwester Gertrudis hob das Bündel gegen die Glaswand, produzierte es wie eine Kasperlefigur, drehte es hin und her und hob sogar eine winzige Hand, um Lothar Lockner damit einen Gruß zuzuwinken. Er hob ebenfalls die Hand, kam sich dabei ein wenig blöd vor und winkte mit den Fingern zurück.
„Nun, was sagen Sie zu Ihrem Töchterchen? Goldig, nicht?“
„Hm...“, antwortete Lothar Lockner unbestimmt.
„Ein besonders hübsches und kräftiges Kind!“ stellte Schwester Gertrudis mit Begeisterung fest.
„Ich werde mich sicherlich an den Anblick gewöhnen...“, sagte er tapfer, „Fast acht Pfund... wissen Sie, ich habe mir da etwas mehr vorgestellt... und für’n Mädel find ich’s auch ein bißchen kahl, wie... aber das kommt wohl noch... hoffentlich..
Jo lag ziemlich blaß und schwach in den Kissen. Sie lächelte ihm entgegen, als er sich ihrem Bett auf den Fußspitzen näherte.
„Weder Otto noch Christof…“, flüsterte Jo und schaute ihm ein wenig bangend in die Augen, „ein kleines Mädchen...
„Ein besonders hübsches und kräftiges Kind, unser Christinchen!“ sagte er und küßte sie zärtlich, „und nun schlaf schön, mein Liebling, ich habe eine furchtbare Angst um dich ausgestanden...!“
Sie schloß schon die Augen, während er davonschlich. Auf dem Korridor begegnete er Dr. Haase, einem eleganten Fünfziger mit grauen Schläfen, der — hätten die Griechen neben ihrem Asklepios noch einen speziellen Gott für die Gynäkologie gehabt — genau wie Dr. Egon Haase ausgesehen hätte und von Phidias in Marmor der Nachwelt überliefert worden wäre.
„Gratuliere, lieber Herr Lockner!“ rief Dr. Haase sonor und steckte Lothar Lockner eine schmale und sehr gepflegte Geburtshelferhand entgegen, „das Töchterchen ist reizend! Und der Frau Gemahlin geht es ausgezeichnet. Alles verlief ohne die geringsten Komplikationen. Sie können auf Ihre tapfere junge Frau stolz sein!“
„Danke, Herr Doktor, — ich werde mir Ihr Haus für künftige Ereignisse merken. — Sagen Sie, kann man hier eine Flasche Sekt bekommen?“
„Selbstverständlich, mein Lieber, — wir sind hier nicht nur auf Mutter-, sondern auch auf Vaterfreuden eingerichtet!“
„Und würden Sie mir das Vergnügen machen, mit mir ein Glas auf das Wohl von Mutter und Kind zu trinken?“
„Gern — kommen Sie, wir nehmen die Flasche und die Gläser gleich mit.“
Sie gingen gemeinsam zu den Wirtschaftsräumen der Klinik, ließen sich die Flasche aus dem Kühlschrank und zwei Gläser geben Und kürzten den Weg zu Lothar Lockners Zimmer ab, indem sie über den Hof gingen. Oben ließ Lothar Lockner den Sekt in die Kelche zischen.
„Auf die Frau Gemahlin und auf das Wohl des Töchterchens! Wie soll es denn heißen?“
„Christine... da es nun einmal kein Christof geworden ist.“
„Ein reizender Name... Und einem späteren Christof steht nichts im Wege...“
„Das werde ich mir überlegen. — Mir ist jetzt noch ein wenig schwach in den Knien...“
Der Doktor hob das Glas: „Stärken Sie sich, Herr Lockner...“
„Da ist noch eine Sache, über die ich mit Ihnen sprechen muß, Herr Doktor. — Der Vater meiner Frau ist vor wenigen Tagen tödlich verunglückt. Eine Schneelawine, die sich vom Dach eines Hauses löste, hat ihn erschlagen und unter sich begraben. Man fand ihn erst am nächsten Tage...“
„Und Ihre Frau weiß noch nichts davon...?!“
„Nein, wir wollten ihr die Aufregung in diesen Tagen ersparen. Ich habe es mit
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