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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Ecke eine winzige Spur Rouge von Jos Lippenstift trug. „Ich bin froh, daß ich auf meinem Stühlchen sitze, und ich habe keine Lust, mich vom Alten wegen einer unverschämten Forderung an die frische Luft setzen zu lassen.“
    Fräulein Klühspieß kicherte leise vor sich hin: „Natürlich, vielleicht ist die ,Hauspostille’ eine aufgelegte Pleite…“
    „Na sehen Sie! Jetzt sagen Sie es selber!“
    „Aber wenn es nun keine Pleite ist? Wenn es ein Erfolg wird? Was sogar der Chef annimmt, der doch nun wahrhaftig noch nie in seinem Leben ein Optimist gewesen ist? Was dann?“
    „Machen Sie mich nicht weich!“ sagte er streng, „ich kann gar nichts anderes tun, als diese Frage dem Alten zu überlassen.“
    „Und das wollen Sie ihm sagen?“
    „Ja, natürlich, was sollte ich ihm sonst vorschlagen?“
    „Dann sind Sie wirklich ein Depp!“ stellte Fräulein Klühspieß kopfschüttelnd fest und bediente sich zum erstenmal eines volkstümlichen Ausdrucks ihrer Muttersprache, die sie sonst streng zu meiden ihrer Stellung als Redaktionssekretärin schuldig zu sein glaubte. — „Nicht, daß der Chef Sie übers Ohr hauen will, Herr Lockner, — aber was soll er tun, wenn Sie ihm das Ohr so bequem hinhalten? — Wissen Sie, weshalb er sich nicht sehen läßt und Ihnen aus dem Wege geht?“
    Lothar Lockner wußte es nicht.
    „Weil er vor Ihnen ein bisserl Angst hat. Weil er möchte, daß Sie mürbe werden. Verstehen Sie? — Aber ich würde an Ihrer Stelle nicht mürbe werden, im Gegenteil, ich würde...“
    „Nun, was würden Sie, Fräulein Klühspieß?“
    „Ich würde mit ihm einen Vertrag auf Beteiligungsbasis machen!“ stieß sie hervor. Sie hatte sich die Sache für Lothar Lockner lange überlegt, und sie kannte auch den Chef lange genug, um genau zu wissen, wie man ihn schmieden mußte.
    „Hören Sie!“ rief er, „solch ein Sonntagsblättchen zu erfinden gibt noch lange keine Patentansprüche! Wie stellen Sie sich meine Beteiligung daran vor?“
    „Ganz einfach: ich an Ihrer Stelle würde dem Chef vorschlagen, mir pro Monatsabonnement fünf Pfennige zu geben. Das wären bei einer Auflage von zehntausend Stück fünfhundert Mark. Finden Sie nicht, daß das für beide Teile recht und billig wäre?“
    Lothar Lockner stützte das Kinn in beide Fäuste, er starrte Fräulein Klühspieß ins Gesicht und blies die Luft in einem langen, geräuschvollen Atemstoß über den Schreibtisch. Die Papiere flatterten empor, und er selber sah aus wie einer jener Engel auf den alten Karten des Merian, die die Karavellen aus runden Backen über die blauen Ozeane blasen.
    „Und Sie glauben, daß er sich darauf einläßt?“
    Fräulein Klühspieß raffte ihre Papiere zusammen, denn sie hatte in ihrem Zimmer ein Geräusch gehört.
    „Mit Handkuß!“ flüsterte sie, „mit Handkuß!!“ Und ein Speicheltröpfchen spritzte bei dem scharfen und nachdrücklichen Zischlaut durch ihre Zähne. Sie verschwand, aber sie kehrte nach wenigen Sekunden wieder in Lothar Lockners Büro zurück, um ihm einen Besuch anzumelden.
    „Wer ist es?“
    „Er heißt Schmölz — und ich glaube, er ist Straßenkehrer.“
    „Was will er um Himmels willen von mir? Können Sie das nicht selber erledigen?“
    „Nein, er sagt, er müsse mit Ihnen persönlich sprechen.“
    Die Erinnerung an Herrn Anton Noppenwallner und sein diskretes Anliegen malte sich so deutlich in seinem Gesicht ab, daß Fräulein Klühspieß beruhigend den Kopf schüttelte: „Nein, Herr Lockner, so etwas ist es meiner Meinung nach nicht, — oder ich müßte mich sehr täuschen.“
    Auch Lothar Lockner verlor, als er seines Besuchers ansichtig wurde, die Befürchtung, daß dieser Mann etwa in diskreten Angelegenheiten zu ihm käme. Herr Schmölz, der Schmölz-Martl, wie er sich bei der linkischen Verbeugung in der Tür vorstellte, war ein Mann von unbestimmbarem Alter. Auf einem zwergenhaften Körper saß ein kleiner Kopf mit einem verhutzelten Gesicht. Die Haut war runzlig wie die Schale eines Apfels, der zu lange gelagert hatte. Was Lothar Lockner ins Auge sprang, waren zwei gewaltige Pratzen, in denen Herr Schmölz einen verbeulten Hut drehte, und zwei Füße, die in ungeheuren Kähnen steckten und in einem lächerlichen Mißverhältnis zu dem winzigen Körper des Männchens standen. Er hatte mindestens die Schuhnummer 46 wenn nicht gar 48, und schien an Plattfüßen zu leiden, denn er drehte die Beine beim Gehen vom Knie an nach außen und setzte Fuß vor Fuß, ohne die

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