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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Mittagessen einzuladen!“
    Lothar Lockner warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war kurz vor zwölf. Er fuhr sich mit der Hand über das Kinn, es gab ein schabendes Geräusch: „Wenn Sie mir etwas Rasierwasser aufsetzen würden, Fräulein Klühspieß...“
    „Aber gern!“ rief sie eifrig und eilte auch schon davon, um den elektrischen Kocher anzuschließen.
    Pünktlich um halb eins stand er ein Stockwerk höher und läutete an der Tür der Privatwohnung seines Chefs. Die Haushälterin, die dem alten Lobmüller und seiner Tochter Elfriede seit dem Tode der Frau die Wirtschaft besorgte, öffnete ihm und führte ihn sofort in das Speisezimmer, wo der Chef auf einem grünen Sofa saß, auf dem er nach den Mahlzeiten seinen Mittagsschlaf zu halten pflegte. Fräulein Lobmüller war gerade dabei, eine Cognacflasche zu entkorken. Der Alte kam Lothar Lockner entgegen, schüttelte ihm die Hand und nahm seiner Tochter, die den Gast ebenfalls begrüßte, die Arbeit des Korkenziehens ab.
    „Sie nehmen doch einen vor dem Essen, wie? Na, sicher nehmen Sie einen!“ sagte der Chef und schenkte den echten französischen Cognac in zwei bauchige Gläser ein. „Das geht für die Suppe“, erklärte er, „Suppe gibt’s bei uns nicht. Macht zu dick. Und ich habe sowieso fünfzig Pfund zuviel auf den Rippen...“
    „Aber bestimmt nicht vom Suppenessen!“ warf Fräulein Elfriede Lobmüller spitz ein. Sie lud Lothar Lockner mit einer Handbewegung an den Tisch und wies ihm einen Stuhl an.
    „Alsdann — Prosit!“ sagte der Chef und hob sein Glas. Lothar Lockner trank ihm zu und verbeugte sich auch vor der Dame des Hauses, ehe er den Cognac hinunterkippte. Er rann ihm brennend durch die Kehle und lief warm in den Magen hinab. Die Haushälterin trug den Braten auf, er lag appetitlich in der Garnierung junger Erbsen, Teltower Rübchen und Pommes frites auf der weißen Porzellanschüssel. Lothar Lockner füllte sich ohne falsche Bescheidenheit den Teller. Das Fleisch war mürb und nicht fett, die Erbsen zart und delikat, die Pommes frites rösch, es war ein Mahl, wie er es seit Jahren nicht mehr zu sich genommen hatte.
    „Sie essen für gewöhnlich im ,Lamm’, nicht wahr?“ fragte Fräulein Elfriede, „sind Sie zufrieden?“
    „Gewiß, Fräulein Lobmüller, aber es ist eben Gasthausessen mit Einheitssoßen und Einheitsgeschmack, am Salat kein Tropfen öl, und alles zu stark gesalzen.“
    „Die Wirte wollen halt Bier verkaufen.,.“
    Das war Herrn Lobmüllers Beitrag zur Unterhaltung. Er legte sich zweimal auf, Fräulein Elfriede aß so viel wie ein Vogel, vom Fleisch ein papierdünnes Scheibchen und vom Gemüse einen Löffel voll. Lothar Lockner ließ es sich schmecken, auch das Bier, das vom Faß gezapft in einem blauen Steinkrug zur Selbstbedienung auf dem Tisch stand. Der alte Herr trank nie ein Flaschenbier.
    „Wissen’s, die Kohlensäure...!“ Er deutete ihre Wirkung mit kreisförmigen Bewegungen um seinen Bauch herum an, man sah ihn geradezu zur Kugel anschwellen. Nach dem Braten gab es Obst. Orangen, Birnen und Bananen, von denen die beiden Herren aber keinen Gebrauch machten, während Fräulein Elfriede die gesundheitsfördernde Wirkung des Obstes lobte und sich von jeder Sorte etwas auf den Teller legte.
    „Sie wissen natürlich, weshalb ich Sie raufgebeten habe...“
    „Vermutlich wegen der ,Hauspostille’...“
    „Erraten. — Und um die Sache kurz zu machen: ich bin dafür, daß wir das Blatt aufziehn. Werbung und Vertrieb werden uns noch allerhand Sorgen machen. Aber darüber können wir später sprechen.“
    „Wann gedachten Sie damit herauszukommen?’
    „Anfang September, wenn die Haupternte vorbei ist..
    „... und wenn die Bauern Geld haben!“ ergänzte Lothar Lockner sachkundig.
    Herr Lobmüller rülpste ungeniert und beleckte das Deckblatt seiner Zigarre, deren Brand zu wünschen übrig ließ.
    „Ich bin kein Prophet, Lockner“, brummte er, „aber es müßte schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir einen Reinfall erlebten.“
    „Das ist auch meine Meinung, Herr Lobmüller“, sagte Lothar Lockner und leckte ebenfalls am Deckblatt seiner Zigarre, obwohl sie tadellos brannte. „Und um ganz ehrlich zu sein: wenn ich nicht davon überzeugt wäre, mit Ihnen einen reellen Chef gefunden zu haben, dann hätte ich die ganze Geschichte für mich behalten.“
    Der Alte hob den Kopf und warf ihm über den Zwickerrand hinweg einen schrägen Blick zu: „Ich hör Sie schon gehen, Lockner... Aber ich will

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