Es bleibt natürlich unter uns
ich verdiene. Und wenn ich einmal heirate, dann suche ich mir eine Frau aus, die mit mir und meinem Einkommen zufrieden ist. Und damit ist unsere Unterredung wohl beendet...!“
Die alte Dame stand auf, sie maß Lothar Lockner mit einem merkwürdigen, schiefen Blick: „Ich bin mit meinem Mann früher über Land gezogen. Wir hatten nämlich einen Hausierhandel. Damals ist es mir öfters passiert, — aber seit sechzig Jahren bin ich nicht mehr rausgeschmissen worden.“
„Ich begleite Sie gern bis zur Haustür...“
„Ich gehe ohne Musik!“ sagte sie giftig.
„Seien Sie mir nicht böse, gnädige Frau, — jeder lebt in seiner Haut... Meine ist ein wenig eng, aber ich fühle mich trotzdem darin einigermaßen wohl.“
„Sie sind ein Narr, junger Mann, aber Sie gefallen mir gar nicht einmal so schlecht“, sagte sie und stieß den Stock leicht auf den Boden. Und damit verließ sie das Büro. Fräulein Klühspieß sprang von ihrem Hocker auf und eilte zur Tür. Beinah hätte sie eine Art Hofknicks gemacht.
„Was wollte bloß die alte Frau Klapfenberg bei Ihnen?“ fragte sie, als Lothar Lockner mit ein paar Korrekturen zur Setzerei ging.
„Eine zähe, alte Person...“, sagte er, „die Anzeigenpreise sind ihr zu hoch, jedenfalls in der Menge, in der die Firma Klapfenberg inseriert.“
„Daß die Leute auch mit jedem Schmarrn zu Ihnen kommen! Die Alte müßte es doch eigentlich wissen, daß dafür Herr Lobmül1er zuständig ist. — Aber da hat man’s wieder: je mehr die Leute besitzen, um so gieriger sind sie aufs Geld.“
„Genau das habe ich der alten Dame klarzumachen versucht, aber ich fürchte, es ist ihr nicht recht eingegangen.“
*
Lothar Lockner hatte ursprünglich die Absicht gehabt, Wastl Kerschbaumer und Fräulein Klühspieß einzuladen, mit dem Verlagsauto nach Ruhpolding ins Kurhaus oder nach Niederaschau in die ,Alte Post’ zu fahren, dort den Erfolg des heutigen Tages nachzufeiern und — Jo Klapfenberg anzurufen. Er wußte, daß sie nichts dafür konnte, ja, daß sie ihrer Großmutter diesen Besuch sehr verübeln würde, aber trotzdem schob er den Brief von ihr, ohne ihn zu Ende gelesen zu haben, in die Tasche und wußte, daß er ihren Wunsch nicht erfüllen würde. Seine Unbefangenheit war zerstört worden. Er schrieb ihr ein paar flüchtige Zeilen, daß er ihren Brief erhalten habe, daß er sich freue, sie in Deutschland zu wissen, und daß sie es verstehen möge, wenn sie ein paar Tage lang ohne Nachricht bliebe, denn er stecke des Festes wegen bis über die Ohren in Arbeit. Er erwähnte nicht einmal die Ereignisse des heutigen Tages. Auch diese Freude war ihm plötzlich gleichgültig geworden. Er feuerte die rote Mappe mit dem wichtigen Vertrag in seine Schreibtischschublade, als würfe er ein langweiliges Manuskript in den Ausgangskorb, den Fräulein Klühspieß täglich seufzend entleerte, um den vorgedruckten bedauernden Text anzuheften und über das Rückporto zu maulen, als müsse sie es aus der eigenen Tasche bezahlen.
Die Briefe von Jo kamen auch in den nächsten Tagen und Wochen regelmäßig wie zuvor, zumeist mit Abständen von zwei Tagen. Ihr verging die Zeit unerträglich langsam, ihr war es, als nähmen die Tage und Nächte überhaupt kein Ende. Und sie beneidete ihn um seine Arbeit, die er immer noch vorschützte, wenn seine Antworten aus ein paar dürftigen Zeilen bestanden.
„... aber vielleicht könntest Du doch einmal ein wenig mehr Zeit für mich finden. Du fändest sie gewiß, wenn Du wüßtest, wie sehnsüchtig ich auf Deine Briefe warte. Ich habe schon eine richtige Postbotenhysterie. Und sie bekommt mir gar nicht gut. — Was hast Du mir doch für liebe Briefe nach England geschrieben! Über die Schmölz-Geschichte haben Tante Johanna und Onkel Robert Tränen gelacht, obwohl ich sie nur sehr unvollkommen übersetzen konnte und den Rest durch Mimik darstellen mußte. — Ich beklage mich ja nicht darüber, daß Du so wenig schreibst, aber manchmal habe ich das Gefühl, als kämen die letzten Briefe gar nicht von Dir. Oder sei ehrlich — Du darfst es sein, und ich werde darüber nicht erschrecken — steckt da etwas anderes dahinter? Eine Liebesgeschichte vielleicht...? Es wäre ja kein Wunder, wenn es der Fall wäre und ich wäre die letzte, die einen Grund dazu hätte, darüber gekränkt oder verletzt zu sein...“
Lieber Gott, nein! Es waren nur die verdammten fünfzigtausend Gründe, die ihre Großmutter ins Treffen geführt hatte!
Er bezwang
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