Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
nicht mehr, als er aus dem Hause trat. Der Himmel war mondlos und grau. Aber ein merkwürdig warmer Wind wehte, ein lauer Wind, der leise in den Kaminen heulte, Feuchtigkeit herantrug und die hohen, lockeren Schneehauben auf den Fenstersimsen und Mauerpodesten zusammensinken und schwer werden ließ. In den Wäldern würde es verheerende Verwüstungen geben...
    An diesem Abend, an dem Lothar Lockner früh zu Bett ging und spät Schlaf fand, führte Herr Joseph Klapfenberg ein kurzes Telefongespräch mit dem ,Lamm’ und verließ eine halbe Stunde nach dem Anruf sein Haus. Er ging am ,Lamm’ und an der Sparkasse vorüber und bog beim Maxbrunnen, einem etwas dürftigen Monument, das die Stadt Aldenberg zur Erinnerung an den Besuch des Königs einst in der Gestalt einer Denksäule mit der bronzenen Brustplastik Max II. hatte errichten lassen, die ziemlich steil abfallende Straße zur Ache hinunter. Unten angekommen, bog er auf der schlecht geräumten Straße, die zu dem Bierkeller des ,Lamm’ und zu den schmalen Hinterhöfen der Gebäude an der südlichen Marktfront führte, wieder nach links ab und betrat das ,Lamm’ über den Lieferanteneingang.
    Der sechzigjährige, ziemlich schwere Mann keuchte ein wenig und mußte sich die Stirn abtrocknen, als er das erste Stockwerk erreichte, auf dem das Zimmer lag, dessen Nummer ihm Herr van
    Dorn genannt hatte. Es war ihm sichtlich unangenehm, der Beschließerin des Hotels, die ihn natürlich kannte, zu begegnen. Sie trat mit einem Stapel frischer Wäsche gerade aus der Bügelkammer, als er nach der Zimmernummer suchte. Wenn sie wußte, daß dieser Mann einmal seiner Johanna nachgestiegen war, dann konnte sie sich alles mögliche zusammenreimen. Am liebsten wäre er im letzten Moment umgekehrt, aber dann klopfte er an der Tür des Zimmers Nummer 14, die ihm sofort geöffnet wurde, als hätte innen Herr van Dorn mit der Hand an der Klinke auf ihn gewartet.
    Es war ein für Aldenberger Gasthausverhältnisse erstaunlich gut eingerichtetes Zimmer. Der Pflanz hatte es sich etwas kosten lassen; gute Teppiche und Brücken, geschmackvoll ausgewählte Reproduktionen, hier war es ein Renoir, eine kostspielige Wascharmatur und ein breites Bett mit teuren Daunensteppdecken, die blütenweiß überzogen waren. Herr Klapfenberg rieb mit Daumen und Zeigefinger die beschlagenen Gläser seiner Brille blank.
    „Ich bin nicht gern hergekommen, Herr van Dorn“, sagte er mit verkniffenem Mund und einer Haltung, als trüge er einen Panzer.
    „Das kann ich wohl begreifen“, erwiderte Herr van Dorn und deutete auf einen kleinen Polstersessel, „um so dankbarer bin ich Ihnen, daß Sie dennoch gekommen sind. — Wollen Sie — bitte — Platz nehmen...“
    „Danke, — ich glaube, wir können unsere Angelegenheiten auch im Stehen erledigen. Was ist das Wichtige, was Sie mir zu sagen haben?“
    Herr van Dorn senkte den Kopf und starrte auf eine stilisierte Blume auf dem burgunderroten Veloursteppich, er bewegte die Lippen und schien einen Anlauf zu nehmen.
    „Herr Klapfenberg“, sagte er schließlich ein wenig gepreßt, „als ich Ihre Tochter vor zwei Jahren kennenlernte, da ging es mir so, wie es einem Mann in meinem Beruf eben zu gehen pflegt. Ich verdiente nicht gerade viel, aber doch genug, um mir einen etwas gehobenen Lebenszuschnitt leisten zu können. Für mich allein natürlich...“
    Es klang, als spräche er nicht unvorbereitet. Herr Klapfenberg schwieg, starrte an Herrn van Dorn vorbei auf die bekannte Gartenszene von Renoir, ohne das Bild jedoch wahrzunehmen, und trommelte mit den Fingerspitzen der rechten Hand gegen einen Mantelknopf.
    „... aber ich war mir natürlich der Tatsache bewußt“, fuhr Herr van Dorn hüstelnd fort, „daß ich nie dazu kommen würde, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Selbständig zu werden. Daß ich mein Leben lang Reisender bleiben würde... Und ich hasse diesen Beruf. Dieses Klinkenputzen. Dieses Herzklopfen vor jeder neuen Tür. Die Niederlagen — und auch die Erfolge...“
    „Lassen Sie das...!“ sagte Herr Klapfenberg nervös, „kommen Sie, bitte, zur Sache!“
    „Verzeihen Sie, aber es gehört dazu“, sagte Herr van Dorn und preßte die gefalteten Finger fest zusammen, daß die Knöchel weiß auf schimmerten; „als ich Ihre Tochter nun kennenlernte, die mir bei Gott nicht gleichgültig war...“
    „Es wäre mir lieber, wenn Sie Gott aus dem Spiel ließen!“
    Aus dem Konzept gebracht, mußte Herr van Dorn sich eine kleine Weile

Weitere Kostenlose Bücher