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Es bleibt natürlich unter uns

Es bleibt natürlich unter uns

Titel: Es bleibt natürlich unter uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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das Lokal betrat; er stellte einen kleinen Koffer ab und schüttelte den Schnee vom Hut und von den Schultern seines Mantels, eines halblangen Stutzers, wie er gern von Automobilisten getragen wird. Lothar Lockner kannte ihn nicht, deshalb nahm er von dem Fremden keine besondere Notiz. Immerhin sah Herr van Dorn so auffallend gut aus, daß er für einen Augenblick Lothar Lockners Aufmerksamkeit erregte. Er war mindestens einsfünfundachtzig groß, schlank ohne mager zu sein, sehr elegant angezogen, und trug einen Kopf über den Schultern, der unbedingt auffiel. Zwei Bedienungen eilten hinzu, als er sich nach einem freien Tisch umsah, und die Kellnerin Wally war hochbeglückt, ihn für ihr Service erobert zu haben. Er verhandelte, da er keine telefonische Verbindung mit Aldenberg bekommen hatte, wegen eines Zimmers und bestellte sich, nachdem er den Bescheid erhalten hatte, daß er ein Zimmer haben könne, sein Abendessen. Der Pflanz war nicht im Lokal, als Herr van Dorn seinen Einzug ins ,Lamm’ hielt. Er kam erst später, um seine Gäste mit dem üblichen Schmus zu begrüßen: „Hab die Ehre, Herr Oberpostinspektor, — ergebenster Diener, Herr Redakteur, — mein Kompliment, Herr Doktor, — Grüß Gott, Herr Stadtrat, — Salve, Herr Studienprofessor, — Bongschur allerseits...“ und mit einem mißbilligenden Blick auf die Kellnerin Wally, die mit einer Platte zu ihrem Service eilte: „Grausam, was dees Madl mager is... der hams de Schöpflöffln verkehrt aufg’setzt... und sowas tragt an Pullover!“ Und dann erblickte er Herrn van Dorn und steuerte mit weit vorgestreckten Händen, als begrüße er seinen Lieblingsbruder, auf ihn zu. Lothar Lockner saß zu weit entfernt, um von dem ziemlich laut geführten Gespräch etwas zu vernehmen oder um den Namen des Gastes zu verstehen. Er las eine Münchner Zeitung, hatte das Ripperl mit Kraut schon verspeist und trank das zweite Bier, denn das Ripperl war wie üblich ziemlich scharf gesalzen gewesen. Nicht lange, dann verließ Herr van Dorn das Lokal, den Mantel überm Arm und das Köfferchen in der Hand, um sich auf sein Zimmer zu begeben. Der Pflanz kam, nachdem er seinen Gast bis zur Tür begleitet hatte, schnurstracks an Lothar Lockners Tisch.
    „Wissen’s, Herr Lockner, wer der Schlawiner gewesen ist?“ fragte er mit einer kleinen Daumenbewegung zur Tür hin und kniff ein Auge zu.
    „Keine Ahnung, Herr Pflanz... Jedenfalls war es ein verdammt gut aussehender Mann... etwa Bühne oder Film?“
    „Bühne oder Film... könnt man moana... und deshalb fliegen die Weiber auf ihn...“ Er machte eine kleine Kunstpause. — „Seine Konkurrenz sollte man eigentlich kennen, Herr Lockner...“
    „Sie machen es richtig spannend, Herr Pflanz...“
    „No, es war der Herr van Dorn... Sie wissen doch, derselbe, der sich mal ans Klapfenberg Hannerl herangemacht hat!“
    Es fiel Lothar Lockner nicht ganz leicht, seine Überraschung zu verbergen. Er nahm einen Zug aus seinem Glase, um Zeit zu gewinnen. Der Pflanz machte ein harmloses Gesicht, aber er beobachtete sein Opfer genau.
    „Soso, das war also Herr van Dorn... ja, ich besinne mich jetzt auf den Namen... Ich glaube. Sie selber haben mir mal etwas von ihm erzählt... Ich wundere mich eigentlich, daß Fräulein Klapfenberg ihn abblitzen ließ. Der Mann sieht genau so aus, wie ich aussehen möchte —“
    „Der Gehalt macht’s und nicht die Schale!“ sagte der Pflanz mit erhobenem Zeigefinger. Er ging ein wenig enttäuscht davon, wahrscheinlich hatte er sich von seiner Mitteilung mehr Wirkung versprochen. Lothar Lockner nahm die Zeitung wieder auf, er blätterte sogar darin, aber er las nicht, die Zeitung diente ihm als Schild, hinter dem er sein Gesicht verbarg.
    Was führte diesen Mann nach Aldenberg? Wenn er Jo hier anzutreffen gehofft hatte, so würde er eine Enttäuschung erleben. Aber konnte er überhaupt erwarten, sie noch hier zu finden? Soviel Phantasie besaß er gewiß, um sich vorzustellen, daß sie das Kind nicht gerade in Aldenberg zur Welt bringen würde. Oder führte ihn eine Geschäftsreise her? Soviel Kaltschnäuzigkeit konnte man selbst dem abgebrühtesten Burschen nicht Zutrauen... Also was wollte er hier? Lothar Lockner spürte, wie die Halsschlagader gegen seinen Kragen pulste, und er empfand eine starke Beunruhigung.
    Er trank den schalen Rest aus seinem Glase aus, überlegte, ob er sich noch eins als Schlafpulver bestellen sollte, zahlte dann aber doch und verließ das ,Lamm’. Es schneite

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