Es duftet nach Liebe (German Edition)
Sex.
Dabei bin ich immer scharf auf ihn.
Ich öffne die Tür, achte nicht auf Christian, der stumm und zusammengekauert neben mir sitzt. Ich weiß, dass er mich mit seinen großen dunklen Augen beobachtet. Aber ich kann ihn einfach nicht ansehen.
Heftiger als nötig schlage ich die Tür zu, dann strecke ich mich und gehe ein paar Schritte den Fußweg entlang. Holzbänke, die ihre besten Tage bereits lange hinter sich haben, stehen auf dem Rasen. Das Toilettenhaus wäre wohl auch zu erkennen, wenn es hier stockdunkel wäre. Der Geruch ist penetrant und ekelerregend. Ich würde es nicht einmal im Schutzanzug betreten. Ganz offensichtlich bin ich nicht der Einzige, der so denkt. Der angrenzende Wald ist voller Müll und Taschentücher.
Ich laufe mit schnellen Schritten den Weg entlang, weg vom Auto und vor allem weg von Christian. Ich hätte mich niemals darauf einlassen sollen. Es war ein Fehler. Ein verdammter Fehler!
Er hat mich letzten Sonntag gefragt, ob ich mit zu seinen Eltern fahren würde. Wir hatten gerade fantastischen Sex, alles roch nach ihm und nach diesen verdammten Kirschen, weil er unbedingt das neue Gleitgel mit Kirschgeschmack ausprobieren wollte. Als wenn der Geruch seiner Haut nicht ausreichen würde. Ich kann nicht begreifen, wieso dieser Kerl so verflucht lecker nach diesen Früchten riecht. Besonders die zarte Haut am Hals und im Nacken.
Mein Kopf war auf jeden Fall viel zu benebelt, um die Tragweite seiner Frage erfassen zu können. Es war dieser Moment, wo ich wahrscheinlich überall hin mit ihm gelaufen, gefahren oder geflogen wäre.
Dieser Moment, in dem man seine Seele an den Teufel verkauft, weil er nie vergehen soll, weil einfach alles perfekt erscheint und man nicht genug davon bekommen kann.
Christian ist eine Droge! Eine verdammte Kirschdroge. Absolut süchtig machend.
Er hat mir schon vom ersten Augenblick an die Sinne vernebelt. Dabei habe ich am Anfang nicht viel mehr als ein paar funkelnde Augen und diesen Geruch von Kirschen in der Dunkelheit wahrgenommen. Ich war auf dem Weg in den Darkroom. Er lehnte an der Wand neben der Eingangstür. Es war nur eine Spielerei. Keine Namen, kein Gesicht … nur dieser verdammte sexy Geruch, den ich nicht mehr aus meinem Kopf bekam. All meine Sinne schienen plötzlich auf ihn ausgerichtet zu sein. Ich wollte ihn wiederfinden, mehr von ihm erfahren. Ich wollte ihn kennenlernen und hatte gleichzeitig Angst davor, dass er kein Interesse hat. Seine Schüchternheit hielt ich für Abgeklärtheit. Dass er zum ersten Mal in einem Gay-Club war, hat er mir erst viel später gestanden.
Ich wollte ihn und jetzt … sitzt er wie ein Häufchen Elend in meinem verdammten Auto. Er sieht so jung und verletzlich aus. Dabei ist er nur knapp fünf Jahre jünger als ich. Trotzdem ist es manchmal, als würden wir in zwei Welten leben. Er ist das sprichwörtliche Fähnchen im Wind, mal total ehrgeizig, nahezu verbissen, dann lässt er plötzlich alles schleifen.
Er sucht Nähe und stößt mich gleichzeitig von sich. Von seinen Eltern weiß ich so gut wie gar nichts.
Wieso habe ich diese Reise nicht hinterfragt? Je mehr ich darüber nachdenke, um so weniger kann ich es begreifen. Ich habe nie nachgebohrt, wenn er das Thema Eltern geschickt umrundet hat. Ich habe mir einfach keine Gedanken gemacht. Vielleicht, weil meine Eltern uns immer in Beschlag nehmen. Christian hat gesagt, dass er ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern hat. Er besucht sie auch. Zwar nicht so häufig, aber das habe ich auf die große Entfernung zurückgeführt.
„Veit?“, ruft er.
Ich bleibe stehen, sehe ihn an. Er ist aus dem Auto gestiegen.
„Meine Mutter hat gerade angerufen. Sie wollte wissen, ob wir noch lange unterwegs sind.“
Ich schüttle den Kopf, schaffe es nicht, die Gedanken zu sortieren und eine logische Entscheidung zu treffen. Meine Beine scheinen festgeklebt zu sein. Ich kann mich nicht bewegen.
Christian kommt auf mich zu. Langsam und zögerlich. Er schlingt seine Arme um meinen Hals und legt seinen Kopf gegen meine Schulter.
„Es tut mir leid", flüstert er und haucht kleine Küsse auf meine Haut. Ich bekomme eine Gänsehaut, möchte ihn von mir stoßen, aber selbst das gelingt mir nicht.
„Warum?“, frage ich tonlos und schließe die Augen.
„Es ist kompliziert und irgendwie hat sich nie die Gelegenheit geboten.“
„Es hat sich keine Gelegenheit geboten?“, fahre ich auf und löse mich aus seiner Umarmung. „Wir sind schon eine ganze Weile
Weitere Kostenlose Bücher