Es duftet nach Liebe (German Edition)
scheint nach Worten zu suchen und verstummt hilflos.
Ich sehe zu ihm hinüber und lasse mich von seinen dunklen Augen gefangen nehmen. Er knabbert auf seiner Unterlippe herum. Lächelnd lege ich einen Finger darauf, spüre die weichen Lippen nach.
„Lass uns hineingehen. Es wird ja nicht besser, wenn wir hier im Auto sitzen. Außer du sagst, ich soll ganz schnell wieder zurückfahren.“ Ich lache kurz hart auf, aber wenn ich ehrlich bin, wäre ich versucht ...
„Das würdest du tun?“
„Du ziehst es nicht wirklich in Betracht, oder?“ Ich kann den hoffnungsvollen Unterton nicht unterdrücken.
Noch ehe wir uns zur Flucht entschließen können, öffnet sich das Tor und eine Frau erscheint. Sie ist groß und schlank, hat kurze dunkelbraune Haare mit roten Strähnen darin. Auf den ersten Blick kann ich gar keine Ähnlichkeit mit Christian feststellen.
„Zu spät“, murmle ich, während Christian bereits die Tür öffnet und aussteigt.
„Chrissi“, ruft sie und kommt ihm mit schnellen Schritten entgegen. „Ich habe mir schon Sorgen gemacht, wo du bleibst. Du weißt doch, dass Papa immer pünktlich Abendbrot essen will.“
Sie nimmt ihn in die Arme, während ich verstohlen auf meine Uhr gucke. Es ist halb acht.
„Der Verkehr war die Hölle“, sagt Christian laut. Erstaunt stelle ich fest, dass seine Stimme anders klingt, seine ganze Haltung verändert ist.
Wenn ich zu ihm Chrissi sage, kriegt er fast einen Anfall, nicht mal auf ein Chris lässt er sich ein. Ein anderer Spitzname ist mir bisher noch nicht eingefallen. Ich bin in dieser Hinsicht wahrscheinlich nicht besonders kreativ, und Schatz oder Liebling kommt nicht infrage.
„Das ist Veit Millner“, holt mich Christians Stimme aus meinen Gedanken.
Ich ergreife die mir entgegengestreckte Hand. Wir sehen uns an. Ich lächle, aber ihre Gesichtszüge wirken abweisend und streng.
„Freut mich, Sie kennenzulernen. Chrissi hat schon von Ihnen erzählt.“
Ihr Lächeln ist so kühl, dass ich eine Gänsehaut bekomme.
Ich schlucke, versuche mir einzureden, dass ich mir die ablehnende Haltung nur einbilde.
„Es freut mich ebenso, Frau Hartmann“, erwidere ich höflich.
Erneut treffen sich unsere Blicke. Sie mustert mich abschätzend. Das mulmige Gefühl in meinem Bauch verstärkt sich. Sie sieht mich an, als wenn sie sich bereits eine Meinung über mich gebildet hätte. Dabei kennt sie mich überhaupt nicht.
Christian ist in der Zwischenzeit zum Kofferraum gegangen und hat unsere Taschen herausgeholt. Am liebsten würde ich ihm zurufen, dass er meine drin lassen soll. Ich nehme sie zögernd entgegen. Aber für einen Rückzieher ist es wohl zu spät. Wenn die Mutter schon so merkwürdig reagiert, möchte ich über den Vater gar nicht erst nachdenken. Wieso hat mich Christian nur mitgenommen?
Ich schließe das Auto ab und folge den beiden durch das Tor. Die hohe Hecke lässt wenig Licht auf das Grundstück. Erst auf den zweiten Blick kann ich das Haus erkennen. Es ist umwuchert von Efeu und Wildem Wein. Büsche stehen neben der Eingangstür. Das Haus ist alt, richtig alt … Fachwerk, ein wenig heruntergekommen und düster anmutend.
Der Eindruck ändert sich auch nicht, als wir das Innere des Hauses betreten. Es ist so dunkel, dass ich einen Moment lang gar nichts sehe und auch dann nur Umrisse wahrnehme.
Wir stehen in einem kleinen Flur, rechts geht eine Treppe nach oben. Alles ist eng und drückend. Die Decke so niedrig, dass ich meine Hand nur ausstrecken muss, um sie zu berühren.
Dabei bin ich kaum größer als Christian und seine Mutter. Ich habe schon nach diesen wenigen Minuten das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Als ich allerdings tief durchatme, werde ich von einem sehr bekannten Geruch überwältigt. Es riecht süß und nach Kirschen.
„Komm rein“, sagt Christian leise und schiebt mich noch ein wenig tiefer in den dunklen Raum. Ich bin versucht zu fragen, ob sie keinen Strom besitzen. Es würde mich bei diesem Haus nicht verwundern, wenn Christian eine Kerze anzünden würde, aber er drückt neben mir auf einen Schalter, der mit einem merkwürdigen Summen für den nötigen Strom sorgt, um den Raum zu erhellen. Aber selbst jetzt verschwindet die bedrückende Enge nicht. Ich habe noch nie in so einem kleinen Flur gestanden.
Auch wenn ich eine ungefähre Ahnung von Fachwerkhäusern habe, das übertrifft doch meine Vorstellung bei Weitem. Und zwar nicht im positiven Sinne. Meine Brust ist wie zugeschnürt, da hilft auch der
Weitere Kostenlose Bücher