Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
gegenüber setzen, um ihn sich anzusehen, wenn sie genug vom Leben hatte, genug von den ständigen Laufmaschen und genug davon, daß Danglard ihr ständig sagte, daß er keine Ahnung habe, wo das Universum zu Ende sei, und vor allem, worin sich das Universum befinde.
    Sie sah ihnen zu, wie sie in zwei Wagen zur Rue Pierreet-Marie-Curie aufbrachen.
    Im Auto murmelte Danglard:
    »Ein Weinkorken und eine Frau mit durchschnittener Kehle, ich sehe da keinen Zusammenhang, das übersteigt meinen Verstand. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, was der Typ im Hirn hat.«
    »Wenn man auf das Wasser in einem Eimer sieht«, sagte Adamsberg, »dann sieht man den Boden. Man streckt den Arm hinein und kann etwas berühren. Selbst in einem Faß schafft man das noch. In einem Brunnen ist nichts zu machen. Selbst wenn man kleine Kieselsteine hineinwirft, um etwas herauszufinden, nützt das nichts. Das Drama besteht darin, daß man es trotzdem versucht. Der Mensch muß immer ›etwas herausfinden‹. Das bringt ihm nur Nerverei ein. Sie können sich die gigantische Zahl kleiner Kiesel nicht vorstellen, die sich auf dem Grund von Brunnen befinden. Die Leute werfen sie nicht hinein, um das Geräusch zu hören, das sie machen, wenn sie ins Wasser fallen, nein. Es ist, um ›etwas herauszufinden‹. Aber ein Brunnen ist etwas Schreckliches. Wenn die Leute, die ihn gegraben haben, einmal tot sind, weiß niemand mehr etwas über ihn. Er entwischt uns, er verhöhnt uns aus der Tiefe seines unbekannten Bauchs voll von zylinderförmigem Wasser. Das macht der Brunnen meiner Vorstellung nach. Aber wie viel Wasser? Bis wohin Wasser? Man müßte sich hinüberbeugen, sich vorbeugen, um es zu wissen, müßte Fäden hineinhängen.«
    »Eine gute Gelegenheit, um zu ertrinken«, bemerkte Castreau.
    »Natürlich.«
    »Aber ich sehe den Zusammenhang mit dem Mord nicht«, sagte Castreau.
    »Ich habe nicht gesagt, daß es einen gibt«, erwiderte Adamsberg.
    »Warum erzählen Sie uns dann die Geschichte mit dem Brunnen?«
    »Warum nicht? Man kann nicht immer nur reden, weil es nützlich ist. Aber Danglard hat recht. Ein Weinkorken, eine Frau - das ergibt keinen Zusammenhang. Das ist das Wichtige.«
    Die Frau mit durchschnittener Kehle hatte vor Schreck aufgerissene Augen und einen ebensolchen Mund, bei dem der Kiefer fast ausgerenkt war. Man hatte den Eindruck, sie sei gerade dabei, den großen Satz herauszubrüllen, der um sie herum geschrieben stand, »Victor, sieh dich vor, was treibst du jetzt noch vor dem Tor?«
    Es war ohrenbetäubend, man hatte das Bedürfnis, sich die Ohren zuzuhalten, obwohl Schweigen in der Gruppe der Polizisten herrschte, die um den Kreis herumstanden.
    Danglard betrachtete den einfachen, bis oben ordentlich geschlossenen Mantel der Frau, ihre durchschnittene Kehle und das Blut, das bis zu einer Haustür gelaufen war. Er mußte sich beinahe übergeben. Nicht ein einziges Mal hatte er eine Leiche gesehen, ohne sich beinahe übergeben zu müssen, was ihn aber nicht störte. Es war ihm nicht unangenehm, sich beinahe übergeben zu müssen, das ließ ihn andere Sorgen vergessen, die Sorgen der Seele, wie er höhnisch dachte.
    »Sie ist von einer Ratte getötet worden, einer menschlichen Ratte«, sagte Adamsberg. »Ratten springen einem so an die Kehle.«
    Dann fügte er hinzu:
    »Wer ist die Dame?«
    Der kleine Liebling sagte immer »die Dame«, »der Herr«, »die Dame ist hübsch«, »der Herr will mit mir schlafen«, und Adamsberg war diese Angewohnheit nicht losgeworden.
    Inspektor Delille antwortete:
    »Sie hat ihre Papiere bei sich, der Mörder hat ihr nichts weggenommen. Sie heißt Madeleine Châtelain, sie ist einundfünfzig Jahre alt.«
    »Haben Sie schon ihre Tasche durchsucht?«
    »Noch nicht im einzelnen, aber wir haben nichts von Interesse gefunden.«
    »Ich würde es gern wissen.«
    »Nun, für's erste eine Strickzeitschrift, ein winzig kleines Taschenmesser, kleine Seifenstücke, wie es sie in Hotels gibt, ihre Brieftasche und ihre Schlüssel, einen roten Plastikradiergummi und schließlich einen kleinen Taschenkalender.«
    »Hatte sie unter dem gestrigen Datum etwas notiert?«
    »Ja, aber keine Verabredung, wenn Sie das meinen. Sie hat notiert: ›Ich glaube nicht, daß es so toll ist, in einem Strickgeschäft zu arbeiten.‹«
    »Gibt's noch viele solche Einträge?«
    »Im Grunde gar nicht wenige. Vor drei Tagen hat sie zum Beispiel geschrieben: ›Ich frage mich, was Mama an Martini eigentlich so gut gefunden hat‹,

Weitere Kostenlose Bücher