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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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angerufen mit einer sanften Stimme, Allmächtiger, ich habe geglaubt, ich werde ohnmächtig, aber ich habe seinen Namen vergessen. Es war dringend, schien mir. Irgendwas schien nicht in Ordnung zu sein.«
    Clémence befand sich ständig am Rande der Ohnmacht, aber mit der Stimme am Telefon konnte sie recht haben. Mathilde dachte, es handele sich vielleicht um diesen halb seltsamen, halb bezaubernden Bullen, den sie zehn Tage zuvor kennengelernt hatte. Aber sie sah nicht den geringsten Grund, weshalb Jean-Baptiste Adamsberg sie dringend hätte sprechen wollen. Es sei denn, er hätte sich an ihr Angebot erinnert, ihn zu dem Mann mit den Kreisen zu führen. Sie hatte das so ganz spontan vorgeschlagen, aber auch, weil es ihr widerstrebte, nie wieder Gelegenheit zu haben, diesem Bullen zu begegnen, der die wahre Entdeckung jenes Tages gewesen war und ihr ihre Phase l in letzter Minute gerettet hatte. Sie wußte, daß sie diesen Typen nicht so leicht vergessen würde, daß er in einer Ecke ihres Gedächtnisses einquartiert war und dort noch für einige Wochen sein unbekümmertes Licht verbreiten würde. Mathilde fand die Nummer, die Clémence in ihrer kleinen Spitzmausschrift hingekritzelt hatte.
     
    Adamsberg war nach Hause gegangen, um auf den Anruf von Mathilde Forestier zu warten. Der Tag hatte sich als typisch für jene Tage angelassen, die der Entdeckung eines Mordes folgen, mit der stummen und schweißtreibenden Aktivität der Leute vom Labor, den stinkenden Büros, den Plastikbechern auf den Tischen, mit dem Graphologen, der sich auf Contis Fotos gestürzt hatte, und außerdem mit einer Art Beben, vielleicht Besorgnis, in die dieser ungewöhnliche Fall das Kommissariat des 5. Arrondissements versetzt zu haben schien. Die Sorge zu scheitern oder die Sorge vor einem möglicherweise monströsen Mörder - Adamsberg hatte nicht versucht, diese Frage zu beantworten. Um das alles nicht mehr zu sehen, war er hinausgegangen und den ganzen Nachmittag durch die Straßen gelaufen. Danglard hatte ihn an der Tür noch erwischt. Es war noch nicht Mittag, und Danglard hatte bereits zuviel getrunken. Er hatte gesagt, es sei leichtsinnig, am Tag eines Mordes einfach so zu gehen. Aber Adamsberg konnte nicht zugeben, daß nichts derart den Gebrauch seines Verstandes behinderte, wie zehn Menschen zu sehen, die dabei waren nachzudenken. Das Kommissariat mußte mit seinem Fieber, zweifellos einem Dreitagesfieber, aufhören, und es durfte niemand mehr irgend etwas von ihm erwarten, damit Adamsberg seine eigenen Ideen wiederfand. Und im Augenblick hatte die Unruhe im Kommissariat sie flüchten lassen wie verängstigte Soldaten im härtesten Kampf. Adamsberg hatte sich seit langem die Binsenweisheit zu eigen gemacht, daß die Kämpfe aufhören, wenn die Kämpfer fehlen, so daß er mangels Ideen aufhörte zu arbeiten und nicht mehr versuchte, sie aus den Spalten, in denen sie sich verkrochen haben mochten, herauszulocken, was sich immer als vergeblich erwiesen hatte.
    Christiane erwartete ihn vor seiner Tür.
    Er hatte kein Glück. Diesen Abend hätte er gern allein verbracht. Oder aber Abend und Nacht mit der jungen Nachbarin von unten, der er schon fünfmal im Treppenhaus und einmal auf der Post begegnet war und die ihn ernsthaft gerührt hatte.
    Christiane sagte, sie käme aus Orleans, um das Wochenende mit ihm zu verbringen.
    Er fragte sich, ob die junge Nachbarin mit ihrem Blick neulich auf der Post hatte sagen wollen: »Ich würde Sie gerne lieben« oder einfach »Ich würde gern mit Ihnen reden, ich langweile mich.« Adamsberg war gefügig, er neigte dazu, mit allen Mädchen zu schlafen, die Lust dazu hatten; manchmal schien ihm das das Richtige zu sein, da es allen zu gefallen schien, und manchmal erschien es ihm fruchtlos. In jedem Fall aber wußte er nicht, was das junge Mädchen von unten ihm zu verstehen geben wollte. Er hatte auch versucht, darüber nachzudenken, und dann hatte er es auf später verschoben. Was hätte seine kleine Schwester daraus gefolgert? Seine kleine Schwester war eine wahre Nachdenk-Fabrik, das brachte ihn schier um. Sie gab zu all seinen Freundinnen, die sie kennenlernte, ihre Meinung ab. Über Christiane hatte sie gesagt: »Note ausreichend, tadelloser Körper, unterhaltsam für eine Stunde, Hirnverknüpfungen mittel bis schwerfällig, zentripetaler Geist und konzentrische Gedanken, drei Hauptgedanken, dreht sich nach zwei Stunden im Kreis, geht ins Bett, unterwürfige Selbstverleugnung in der Liebe, am

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