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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Kleine je wiedergesehen zu haben. Er stellte sich vor, daß Mathilde Forestier ihn aus dieser Schwärze herausziehen könnte, auch wenn er sie nicht deshalb suchte. Aber er hoffte, daß der Film bei ihrem Anblick an der Stelle weitergehen würde, wo er stehengeblieben war, bei dem Hotelboy in Kairo.
    Und Mathilde rief an.
    Er riet Christiane, die schnell ernüchtert war, bald schlafenzugehen, da er spät zurückkommen würde, und traf sich eine halbe Stunde später mit Mathilde Forestier in ihrem Haus.
     
    ***
     
    Sie empfing ihn mit einer Freude, die den eisernen Griff, der die Welt seit ein paar Stunden umklammert hielt, ein wenig lockerte. Sie küßte ihn sogar flüchtig, nicht richtig auf die Wange, nicht richtig auf den Mund. Sie lachte, sie sagte, das sei köstlich, sie habe den richtigen Blick für die Stelle, wohin man küssen müsse, sie sei für derlei Dinge eine scharfe Beobachterin, man dürfe sich nicht beunruhigen, weil sie sich als Liebhaber nur Männer ihres Alters aussuche, das sei ein absoluter Grundsatz, das würde einem Geschichten und Vergleiche ersparen. Dann führte sie ihn an der Schulter zu einem Tisch, an dem eine alte Dame Patiencen legte und gleichzeitig Korrespondenz erledigte und ein riesiger Blinder ihr bei beidem Ratschläge zu geben schien. Der Tisch hatte eine ovale Form und war durchsichtig, darunter war Wasser mit Fischen drin.
    »Das ist ein Aquariums-Tisch«, erklärte Mathilde. »Ich habe ihn eines Abends erfunden. Ein bißchen kitschig, ein bißchen oberflächlich... so wie ich. Die Fische mögen es nicht, wenn Clémence Patiencen legt. Jedesmal, wenn sie eine Karte auf den Tisch wirft, nehmen sie Reißaus, sehen Sie?«
    »Sie geht nicht auf«, sagte Clémence seufzend und schob die Karten zusammen. »Das Zeichen dafür, daß ich auf die Anzeige mit dem gutgehaltenen Sechsundsechzigjährigen nicht antworten sollte. Es reizt mich aber schon. Ich habe das Gefühl, diese Anzeige ist gut.«
    »Haben Sie schon auf viele Anzeigen geantwortet?« fragte Charles.
    »Zweitausenddreihundertvierundfünfzig. Ich habe nie das Passende gefunden. Man sollte glauben, ich hätte ein Schicksal. Ich sage mir, Clémence, du schaffst es nie, nie.«
    »Doch, Clémence«, sagte Mathilde, um sie zu ermutigen, »vor allem, wenn Charles uns dabei hilft, die Antworten zu formulieren. Er ist ein Mann, er weiß, was gefällt.«
    »Aber das Produkt scheint nicht leicht zu verkaufen«, bemerkte Charles.
    »Ich verlasse mich auf Sie, um trotzdem eine Möglichkeit zu finden«, entgegnete Clémence, die den Eindruck erweckte, als würde sie sich über nichts ärgern.
    Mathilde führte Adamsberg in ihr Arbeitszimmer.
    »Wir setzen uns an meinen kosmischen Tisch, wenn Ihnen das nichts ausmacht. Das entspannt mich.«
    Adamsberg besah sich den großen Tisch aus schwarzem Glas, der von Hunderten von Lichtpunkten durchsetzt war, die von unten erleuchtet wurden und alle Sternzeichen des Himmels darstellten. Es war schön, ein bißchen zu schön.
    »Meine Tische haben keinerlei Erfolg im Handel«, sagte Mathilde. »Ihnen gegenüber«, fuhr sie fort und zeigte mit einem Finger auf den Tisch, »haben Sie den Skorpion, hier die Schlange und da die Leier, den Herkules, die nördliche Krone. Gefällt Ihnen das? Ich setze mich hierher, mit den Ellbogen auf dem Sternbild des südlichen Fischs. Womöglich ist das alles falsch. Und womöglich sind Tausende von Sternen, die man noch leuchten sieht, schon verschwunden, was besagt, daß der Himmel ziemlich altmodisch ist. Können Sie sich das vorstellen, Adamsberg? Der Himmel altmodisch? Was macht das schon, wenn man ihn trotzdem sieht?«
    »Madame Forestier«, sagte Adamsberg, »ich möchte gern, daß Sie mich noch heute abend zu dem Mann mit den Kreisen führen. Haben Sie nicht Radio gehört?«
    »Nein«, sagte Mathilde.
    »Heute morgen wurde nur einen Katzensprung von hier entfernt, in der Rue Pierreet-Marie-Curie, in einem seiner Kreise eine Frau mit durchschnittener Kehle gefunden. Eine brave, dicke Frau, die nicht im Verdacht irgendeiner Verworfenheit steht, die zu ihrer Ermordung hätte führen können. Der Mann mit den Kreisen hat jetzt einen schnelleren Gang eingelegt.«
    Mathilde stützte ihr dunkles Gesicht in die Hände, dann stand sie plötzlich auf, holte eine Flasche Scotch und zwei Gläser und stellte alles auf das Sternbild des Adlers zwischen ihnen.
    »Ich bin heute abend nicht sehr gut drauf«, sagte Adamsberg. »Der Tod geht in meinem Kopf auf und

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