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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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müssen. Vielleicht, weil er zu Fuß nach Hause gehen konnte, vielleicht, weil er ganz in der Nähe wohnt. Bin ich bis hierhin nicht allzu verworren?«
    Adamsberg schüttelte langsam den Kopf. Er bewunderte sie.
    »Also habe ich gedacht, mit einem bißchen Glück ist seine Metrostation Pigalle oder Saint-Georges. Ich habe mich vier aufeinanderfolgende Abende lang an der Station Pigalle versteckt: nichts. In den Nächten hat es im 17. und im 2. Arrondissement trotzdem zwei neue Kreise gegeben, aber ich habe zwischen zehn Uhr und Betriebsschluß niemand Entsprechendes in die Metro gehen oder herauskommen sehen. Dann habe ich es bei Saint-Georges versucht. Da habe ich einen kleinen Einzelgänger bemerkt, die Fäuste tief in den Taschen, den Blick am Boden, der gegen Viertel vor elf eine Metro nahm. Ich habe auch noch andere gesehen, die dem entsprechen konnten, was ich suchte. Aber nur der kleine Einzelgänger ist um Viertel nach zwölf wieder herausgekommen, und vier Tage später dasselbe Kommen und Gehen. Am Montag darauf, Anfang von Phase l, neue Ära, bin ich wieder zur Station Saint-Georges. Er kam, und ich bin ihm gefolgt. Das war der Abend mit der Kugelschreibermine. Denn er war es wirklich, Adamsberg. Andere Male habe ich am Metro-Ausgang auf ihn gewartet, um ihm bis zu seinem Haus zu folgen. Aber da ist er mir immer entwischt. Ich bin ihm nicht hinterhergerannt, ich bin kein Polizist.«
    »Ich werde Ihnen nicht sagen, daß das eine fabelhafte Arbeit war, das wäre zu sehr Bulle, aber doch, doch, das ist fabelhafte Arbeit.«
    Adamsberg gebrauchte häufig das Wort fabelhaft.
    »Das ist richtig«, sagte Mathilde, »ich hab's geschickt angestellt, besser jedenfalls als bei Charles Reyer.«
    »Ach, übrigens, gefällt er Ihnen?«
    »Er ist boshaft, eine richtige Giftnudel, aber das stört mich nicht. Er ist ein Gegengewicht zu Clémence, der alten Dame, die Sie gesehen haben, die lieb ist bis zum Stumpfsinn. Man könnte fast meinen, sie macht es absichtlich. Charles wird bei ihr nicht mehr Erfolg haben als bei mir, um eine Reaktion auszulösen. Das wird ihm guttun, da wird er sich die Zähne ausbeißen.«
    »Apropos, Clémence hat merkwürdige Zähne.«
    »Haben Sie es bemerkt? Wie Crocidura russula, das sieht nicht menschlich aus. Und außerdem muß das doch ihre Freier entmutigen. Man müßte Charles die Augen neu machen, man müßte Clémence die Zähne neu machen, man müßte die ganze Welt neu machen. Und was würde man sich hinterher anöden. Wenn wir uns beeilen, könnten wir um zehn an der Metro Saint-Georges sein, wenn Sie wollen, aber ich habe es Ihnen gesagt, Adamsberg, ich glaube nicht, daß er es ist. Ich glaube, jemand anderes hat seinen Kreis nachträglich benutzt. Ist das ausgeschlossen?«
    »Es müßte jemand sein, der verdammt gut über seine Gewohnheiten unterrichtet ist.«
    »Ich bin sehr gut darüber unterrichtet.«
    »Ja, und sagen Sie es nicht zu laut, weil man Sie verdächtigen würde, dem Mann mit den Kreisen an jenem Abend gefolgt zu sein, dann Ihr vorher betäubtes Opfer in Ihrem Auto bis zur Rue Pierreet-Marie-Curie transportiert und ihm schließlich an Ort und Stelle, im Inneren des Kreises, die Kehle durchgeschnitten zu haben, sehr darauf bedacht, daß es kein Stück herausragt. Aber das erscheint mühsam, oder?«
    »Nein. Ich finde, das ist sogar die Mühe wert, wenn man einem anderen die Schuld in die Schuhe schieben will. Dieser Zwangsneurotiker, der sich der Justiz auf einem silbernen Tablett darbietet und der außerdem noch Kreise mit zwei Meter Durchmesser vorbereitet, gerade groß genug für eine Leiche, ist sogar ziemlich verlockend. Das könnte eigentlich eine ganze Menge Leute dazu bringen, einen Mord zu begehen.«
    »Und wo würde die Justiz das Motiv finden, wenn bewiesen ist, daß das Opfer dem Mann mit den Kreisen vollständig unbekannt ist?«
    »Die Justiz würde auf das unmotivierte Verbrechen eines Zwangsneurotikers schließen.«
    »Er weist kein einziges der klassischen Zeichen dafür auf. Wie könnte also der ›echte‹ Mörder nach Ihrer Hypothese sicher sein, daß der Mann mit den Kreisen an seiner Stelle verurteilt wird?«
    »Haben Sie eine Vorstellung, Adamsberg?«
    »Nein, Madame, keine einzige. Ich spüre nur von Anfang an, daß diese Kreise ein Unbehagen auslösen. Ich weiß nicht, ob Ihr Zeichner diese Frau jetzt umgebracht hat, und vielleicht haben Sie recht. Vielleicht ist der Mann mit den Kreisen nur ein Opfer. Sie scheinen viel besser nachzudenken und

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