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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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ab.«
    »Das sieht man. Da muß man was trinken«, erwiderte Mathilde. »Erzählen Sie zunächst mal von der Frau mit der durchschnittenen Kehle, von der anderen Leiche reden wir später.«
    »Welcher anderen Leiche?« fragte Adamsberg.
    »Es gibt zwangsläufig noch eine weitere«, erwiderte Mathilde. »Wenn Sie bei jedem Mord so ein Gesicht machen würden, dann hätten Sie schon lange den Beruf gewechselt. Folglich gibt es noch eine weitere Leiche, die Ihnen das Hirn spaltet. Wollen Sie, daß ich Sie zu dem Mann mit den Kreisen führe, um ihn festzunehmen?«
    »Dazu ist es zu früh. Ich würde ihn gern aufspüren, ich würde ihn gern sehen, ich würde ihn gern kennen.«
    »Das ist mir unangenehm, Adamsberg, weil dieser Mann und ich inzwischen ein bißchen vertraut miteinander sind. Zwischen uns ist ein bißchen mehr als das, was ich Ihnen neulich erzählt habe. In Wirklichkeit habe ich ihn schon mehr als zwölfmal gesehen, ab dem dritten Mal hat er meine Schliche bemerkt. Er hat zwar weiter Distanz gehalten, hat sich aber von mir verfolgen lassen, er hat mir Blicke zugeworfen, vielleicht sogar ein Lächeln, ich weiß es nicht, er hielt sich immer zu weit entfernt oder hatte den Kopf gesenkt. Aber beim letzten Mal hat er mir sogar ein kleines Zeichen mit der Hand gegeben, bevor er aufgebrochen ist, davon bin ich überzeugt. Ich wollte Ihnen das neulich nicht erzählen, weil ich keine Lust hatte, daß Sie mich in die Kategorie Zwangsneurotiker einordnen. Na, schließlich und endlich kann man die Bullen ja nicht daran hindern, einen einzuordnen. Aber jetzt ist das was anderes, weil die Polizei ihn wegen Mordes sucht. Der Mann scheint mir harmlos, Adamsberg. Ich bin häufig genug nachts in den Straßen herumgezogen, um ein Gespür für Gefahr zu haben. Bei ihm nicht. Er ist klein, fast winzig für einen Mann, schmächtig, gepflegt, seine Züge sind beweglich, unbeständig, verworren, er ist nicht schön. Er ist vielleicht fünfundsechzig. Bevor er sich niederkniet, um seinen Satz zu schreiben, hebt er den Saum seines Regenmantels, um ihn nicht schmutzig zu machen.«
    »Wie zeichnet er seine Kreise? Von innen oder von außen?«
    »Von außen. Plötzlich bleibt er vor irgendeiner Kleinigkeit stehen und zieht sofort seine Kreide hervor, als ob er ohne zu zögern wüßte, daß das jetzt die richtige Kleinigkeit für den Abend ist. Er blickt sich um, wartet, bis die Straße verlassen ist, er möchte nicht gesehen werden außer von mir, die er zu tolerieren scheint, ich wüßte nicht zu sagen, warum. Vielleicht glaubt er, ich könne ihn verstehen. Die ganze Operation dauert etwa zwanzig Sekunden. Er zeichnet den großen Kreis, indem er um den Gegenstand herumgeht, dann kniet er nieder, um zu schreiben, dabei blickt er sich ständig um. Dann verschwindet er mit Lichtgeschwindigkeit. Er ist flink wie ein Wiesel und scheint seine Wege zu kennen. Er hat mich immer abgehängt, sobald der Kreis fertig war, ich habe nie seine Wohnung aufspüren können. Jedenfalls habe ich Angst, daß Sie eine Dummheit begehen, wenn Sie den Typen festnehmen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Adamsberg. »Ich muß ihn zunächst einmal sehen. Wie haben Sie ihn entdeckt?«
    »Das ist keine Zauberei, ich habe gesucht. Zunächst habe ich ein paar Journalistenfreunde angerufen, die sich für seinen Fall interessierten, ganz zu Anfang. Sie haben mir die Namen von denen gesagt, die sie über die Kreise informiert haben. Ich habe diese Zeugen angerufen. Vielleicht kommt Ihnen das seltsam vor, daß ich mich so sehr um etwas kümmere, was mich nichts angeht, aber das liegt daran, daß Sie nicht über Fische arbeiten. Wenn man so viele Stunden damit verbringt, Fische zu erforschen, sagt man sich, daß da was nicht stimmt, daß es doch das Mindeste wäre, auch den Menschen etwas Aufmerksamkeit zu schenken, sie ebenfalls zu beobachten. Nun, ich werde Ihnen das ein andermal erklären. Und fast alle diese Zeugen hatten die Kreise vor halb eins in der Nacht entdeckt, nie später. Da der Mann mit den Kreisen ganz Paris durchzog, habe ich mir gedacht, sehr gut, der Typ nimmt die Metro, und er will die letzte Verbindung nicht verpassen, eine durchaus mögliche Hypothese. Idiotisch, oder? Aber zwei Kreise waren gegen zwei Uhr morgens entdeckt worden, im selben Umkreis, Rue Notre-Damede-Lorette und Rue de la Tour d'Auvergne. Da das sehr belebte Straßen sind, habe ich mir vorgestellt, daß die Kreise dort ziemlich spät, nach der letzten Metro, gezeichnet worden sein

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