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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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aber reales Gefühl.
    Inmitten des in einem Zug gezeichneten Kreises lag eine Gießkannenbrause aus rotem Plastik.
    »Die muß vom Balkon darüber runtergefallen sein«, sagte Danglard und hob den Kopf. »Die Brause stammt ja aus der Antike. Und warum den Kreis um die Brause machen und nicht um das Zigarettenpäckchen zwei Meter weiter?«
    »Sie kennen die Liste, Danglard. Er achtet sorgfältig darauf, daß alle eingekreisten Gegenstände soviel Gewicht haben, daß sie nicht wegfliegen können. Niemals ein Metroticket, niemals ein Blatt oder ein Papiertaschentuch oder irgend etwas anderes, das der Wind womöglich in der Nacht wegtreiben könnte. Er will sicher sein, daß der Gegenstand im Kreis am nächsten Morgen noch da liegt. Das läßt vermuten, daß er sich stärker damit beschäftigt, welches Bild er von sich selbst abgibt, als mit der ›Wiederbelebung der Sache an sich‹, wie Vercors-Laury sagen würde. Sonst würde er flüchtige Dinge nicht ausschließen, die unter dem Gesichtspunkt der ›metaphorischen Renaissance der Trottoirs‹ dieselbe Bedeutung haben würden wie alle anderen... Aber unter dem Blickwinkel des Mannes mit den Kreisen wäre ein Kreis, der am Morgen leer aufgefunden wird, eine Beleidigung seiner Schöpfung.«
    »Dieses Mal wird es ebenfalls keinen Zeugen geben«, meinte Danglard. »Wieder eine Gegend ohne Kino und ohne Bistrot in der Nähe, das abends geöffnet hat. Und eine Gegend, wo die Leute eher früh ins Bett gehen. Der Mann mit den Kreisen versteckt sich.«
     
    Bis Mittag behielt Danglard einen Finger auf die Stirn gepreßt. Nach dem Mittagessen ging es etwas besser. Er konnte sich den ganzen Nachmittag zusammen mit Adamsberg damit beschäftigen, die zusätzlichen Einsatzkräfte zu organisieren, die Paris in der kommenden Nacht durchkämmen sollten. Danglard fragte sich kopfschüttelnd, was das alles für einen Nutzen haben sollte. Aber er sah ein, daß Adamsberg mit dem Kreis am Morgen richtig gelegen hatte.
    Gegen acht Uhr abends war alles bereit. Aber das Stadtgebiet war so groß, daß die Maschen des Überwachungsnetzes natürlich zu weit waren.
    »Wenn er geschickt ist«, sagte Adamsberg, »wird er uns entwischen, das ist klar. Und natürlich ist er geschickt.«
    »Wenn wir schon mal dabei sind, sollte man das Haus von Mathilde Forestier auch überwachen, oder?« fragte Danglard.
    »Ja«, antwortet Adamsberg. »Aber sie sollen um Gottes willen vermeiden, gesehen zu werden.«
    Er wartete, bis Danglard draußen war, um bei Mathilde anzurufen. Er bat sie einfach darum, an diesem Abend die eigenen vier Wände nicht zu verlassen und keine nächtlichen Ausflüge oder Verfolgungen zu unternehmen.
    »Nur um mir einen Gefallen zu tun«, erklärte er. »Versuchen Sie nicht, es zu verstehen. Übrigens, ist Reyer zu Hause?«
    »Bestimmt«, sagte Mathilde. »Er ist nicht mein Eigentum, ich überwache ihn nicht.«
    »Und ist Clémence bei Ihnen?«
    »Nein. Clémence ist wie immer verstohlen lachend zu einem vielversprechenden Rendezvous aufgebrochen. Es ist immer das gleiche. Entweder wartet sie Stunden um Stunden in einer Brasserie auf den Typen, ohne irgend jemanden zu sehen, oder der Typ macht auf der Stelle kehrt, sobald er sie entdeckt. In beiden Fällen kommt sie zerstört nach Hause. Jämmerliche Aussichten. Sie sollte das nicht abends tun, das deprimiert sie völlig.«
    »Gut. Verhalten Sie sich bis morgen ruhig, Madame Forestier.«
    »Befürchten Sie etwas?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Adamsberg.
    »Wie gewöhnlich«, bemerkte Mathilde.  
     
    ***
     
    Adamsberg konnte sich nicht entschließen, in dieser Nacht das Kommissariat zu verlassen. Danglard entschied sich, bei ihm zu bleiben. Der Kommissar kritzelte schweigend auf seinen Knien, die Beine ausgestreckt und auf den Papierkorb gestützt. Danglard kaute alte Karamelbonbons, die er in der Schublade von Florence gefunden hatte, um sich vom Trinken abzuhalten.
     
    Ein Streifenbeamter ging den Boulevard de Port-Royal zwischen dem kleinen Bahnhof und der Rue Bertholet hinunter. Ein Kollege tat dasselbe ab der Metrostation in die andere Richtung.
    Seit zehn Uhr abends hatte er Zeit gehabt, die Strecke elfmal hin und her zu laufen, und es nervte ihn, daß er immer mitzählen mußte. Was sollte er anderes tun? Seit einer Stunde war er auf dem Boulevard nicht mehr vielen Leuten begegnet. Es war Anfang Juli, Paris war zum Teil schon entvölkert.
    Jetzt kreuzte eine junge Frau mit Lederjacke und etwas unregelmäßigem Gang

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