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Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
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wußte, selbst dann, wenn es um Dinge ging, die er hätte wissen müssen.
    »Im 6. Jahrhundert.«
    »Nach Christus oder vor?«
    »Nach.«
    »Der Mann interessiert mich. Kommen Sie, Danglard, wir werden ihn vom Tod seiner Frau benachrichtigen. Wenn schon mal eines unserer Opfer nahe Angehörige hat, dann sollten wir das nutzen und sehen, wie er reagiert.«
     
    Die Reaktion von Augustin-Louis Le Nermord war einfach. Nachdem er ihnen verschlafen zugehört hatte, schloß der kleine Mann die Augen, legte die Hand auf den Bauch und wurde um die Lippen blaß. Er lief aus dem Raum, und Danglard und Adamsberg hörten, wie er sich irgendwo im Haus erbrach.
    »Das zumindest ist klar«, sagte Danglard. »Er ist erschüttert.«
    »Oder er hat ein Brechmittel genommen, nachdem wir an der Tür geklingelt haben.«
    Der Mann kam mit vorsichtigen Schritten zurück. Er hatte einen grauen Schlafrock über seinen Schlafanzug gezogen und den Kopf unter den Wasserhahn gehalten.
    »Es tut uns sehr leid«, sagte Adamsberg. »Wenn Sie lieber erst morgen auf unsere Fragen antworten...«
    »Nein... nein... Nun, meine Herren, ich höre Ihnen zu.«
    Der kleine Typ wollte Würde zeigen, und er hatte sie auch, bemerkte Danglard. Seine Haltung war aufrecht, seine Stirn hoch und seine schmutzigblauen Augen blickten beharrlich und ließen Adamsbergs Blick nicht los. Er zündete sich eine Pfeife an, fragte, ob sie das auch nicht stören würde, er brauche das jetzt.
    Das Licht war schwach, der Qualm hing schwer im Raum, und das Zimmer war angefüllt mit Büchern.
    »Sie arbeiten über Byzanz?« fragte Adamsberg und warf Danglard einen Blick zu.
    »Das stimmt«, erwiderte Le Nermord ein wenig überrascht. »Woher wissen Sie das?«
    »Ich weiß es nicht. Aber mein Kollege kennt Ihren Namen.«
    »Danke, das ist nett, daß Sie das sagen. Aber könnten Sie von ihr reden, bitte? Sie... Was ist passiert und wie?«
    »Wir sagen Ihnen Genaueres, wenn Sie gefaßter sind. Es ist schon schmerzhaft genug zu erfahren, daß sie ermordet wurde. Sie wurde in einem blauen Kreidekreis gefunden. In der Rue Bertholet, im 5. Arrondissement. Das ist relativ weit weg von hier.«
    Le Nermord nickte. Seine Gesichtszüge sackten zusammen. Er wirkte sehr alt. Er war nicht angenehm anzusehen.
    »Victor, sieh dich vor, warum stehst du vor dem Tor? Ist es das?« fragte er mit leiser Stimme.
    »In etwa, nicht ganz«, antwortete Adamsberg. »Sie wissen also von den Aktivitäten des Mannes mit den Kreisen?«
    »Wer weiß nicht davon? Historische Forschung schützt vor nichts, Monsieur, selbst wenn man es wünschte. Es ist unglaublich, ich habe gerade letzte Woche mit Delphie - Delphine, meiner Frau - über den Verrückten gesprochen.«
    »Warum haben Sie darüber gesprochen?«
    »Delphie war geneigt, ihn zu verteidigen, aber mich hat dieser Mann angewidert. Ein Aufschneider. Aber den Frauen ist das nicht klar.«
    »Die Rue Bertholet ist weit weg. War Ihre Frau bei Freunden?« fuhr Adamsberg fort.
    Der Mann dachte lange nach. Mindestens fünf oder sechs Minuten. Danglard fragte sich sogar, ob er die Frage wirklich gehört hatte oder ob er gleich einschlafen würde. Aber Adamsberg gab ihm ein Zeichen abzuwarten.
    Le Nermord nahm ein Streichholz, um seine Pfeife wieder anzuzünden.
    »Weit weg von wo?« fragte er endlich.
    »Von Ihrem Haus«, antwortete Adamsberg.
    »Nein, im Gegenteil, es ist ganz nah. Delphie wohnte am Boulevard Montparnasse, in der Nähe von Port-Royal. Muß ich Ihnen mehr dazu sagen?«
    »Bitte.«
    »Es ist jetzt fast zwei Jahre her, daß Delphie mich verlassen hat, um bei ihrem Liebhaber zu leben. Ein unbedeutender, einfältiger Typ, aber Sie werden mir nicht glauben, wenn ich Ihnen das sage. Sie werden selbst urteilen, wenn Sie ihn sehen. Es ist erbärmlich, das ist alles, was ich sagen kann. Und ich... wohne hier, in diesem großen Kasten... ganz allein. Wie ein Idiot«, schloß er mit einer kreisförmigen Handbewegung.
    Danglard schien es, als zittere seine Stimme ein wenig.
    »Und trotz allem haben Sie sie noch gesehen?«
    »Schwer, ohne sie auszukommen«, antwortete Le Nermord.
    »Waren Sie eifersüchtig?« fragte Danglard ohne besonderes Feingefühl.
    Le Nermord zuckte mit den Schultern
    »Was wollen Sie machen, Monsieur, man gewöhnt sich daran. Seit zwölf Jahren betrügt mich Delphie ständig. Man schäumt noch immer, aber läßt die Arme sinken. Am Ende weiß man nicht mehr, ob es Eigenliebe oder Liebe ist, was da wütend wird, dann werden die Wutanfälle

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