Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord

Titel: Es Geht Noch Ein Zug Von Der Gare Du Nord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
sie schon am Morgen gehabt hatten. Jetzt wußte man eine Reihe von Dingen über den alten Arzt, aber nichts als das Übliche. Seine Wohnung, seine Praxis, seine Privatunterlagen hatten ein Leben ohne Heimlichkeiten offenbart. Der Arzt war im Begriff gewesen seine Wohnung zu vermieten, um wieder zurück ins Departement Indre zu ziehen, wo er gerade unter ebenfalls ganz üblichen Umständen ein kleines Haus gekauft hatte. Er hinterließ seiner Schwester eine hübsche kleine Summe, aber kaum ein Grund, ihn dafür umzubringen.
    Danglard kam gegen fünf Uhr zurück. Er hatte mit drei Männern die gesamte Umgebung des Tatorts durchkämmt. Adamsberg sah, daß er zufrieden war, aber auch das Bedürfnis verspürte, sich ein Gläschen zu genehmigen.
    »Das hier lag im Rinnstein«, sagte Danglard und zeigte ihm eine Plastikhülle. »Nicht weit von der Leiche entfernt, zwanzig Meter etwa. Der Mörder hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, es zu verstecken. Er verhält sich, als sei er unantastbar und seiner Straffreiheit sicher. So was sehe ich zum ersten Mal.«
    Adamsberg öffnete die Plastikhülle. Darin befanden sich zwei blutverklebte Küchenhandschuhe aus rosa Gummi. Der Anblick war ziemlich widerlich.
    »Der Mörder macht es sich leicht, nicht wahr?« sagte Danglard. »Er schneidet jemandem mit Küchenhandschuhen die Kehle durch, und dann wirft er sie ein Stück weiter einfach in den Rinnstein, als handle es sich um einen zusammengeknüllten Fetzen Papier. Aber es werden keine Fingerabdrücke drauf sein. Das ist das Gute bei Gummihandschuhen: Man kann sie ausziehen, indem man sie heruntergleiten läßt, ohne sie zu berühren, und es sind Handschuhe, die man überall findet. Was sollen wir Ihrer Ansicht nach damit machen, außer schlußfolgern, daß der Mörder seiner Sache irrsinnig sicher ist? Wie viele Leute wird er auf diese Weise noch umbringen?«
    »Heute ist Freitag. Es ist anzunehmen, daß an diesem Wochenende nichts passieren wird. Ich habe den Eindruck, daß der Mann mit den Kreisen sich weder Samstag noch Sonntag rührt. Sehr regelmäßig organisiert. Wenn der Mörder jemand anderes ist, dann muß er neue Kreise abwarten. Nur der Form halber: Was ergibt das Alibi von Reyer für die vergangene Nacht?«
    »Immer das gleiche. Er hat geschlafen. Keine Zeugen. Alle haben in dem Haus geschlafen. Und es gibt keine Concierge, die eventuelles Kommen und Gehen registrieren würde. Es gibt immer weniger Conciergen, das ist dramatisch für uns.«
    »Mathilde Forestier hat mich vorhin angerufen. Sie hat den Mord aus dem Radio erfahren, und sie machte einen erschütterten Eindruck.«
    »Das wäre zu überlegen«, sagte Danglard.
     
    ***
     
    Mehrere Tage lang geschah nichts mehr. Adamsberg legte die Nachbarin von unten wieder in sein Bett, Danglard nahm die müde Haltung der Junispätnachmittage wieder auf. Nur die Presse erregte sich. Inzwischen wechselten sich ein gutes Dutzend Journalisten auf den Bürgersteigen ab.
    Am Mittwoch verlor Danglard als erster die Geduld.
    »Er hat uns in der Hand«, schimpfte er. »Wir können nichts machen, nichts finden, nichts beweisen. Wir sitzen lustlos da und warten, daß er irgendwas für uns erfindet. Uns fällt nichts anderes ein, als auf einen neuen Kreis zu warten. Das ist unerträglich. Für mich ist das unerträglich«, präzisierte er, nachdem er Adamsberg einen Blick zugeworfen hatte.
    »Morgen«, sagte Adamsberg.
    »Was, morgen?«
    »Morgen früh gibt es einen neuen Kreis, Danglard.«
    »Sie sind kein Hellseher.«
    »Wir werden nicht wieder damit anfangen, wir haben beide schon mal darüber gesprochen. Der Mann mit den Kreisen hat ein bestimmtes Vorhaben. Und er muß, wie Vercors-Laury sagt, seine Gedanken zur Schau stellen. Er wird nicht die ganze Woche verstreichen lassen, ohne sich zu äußern. Um so mehr als die Presse von nichts anderem mehr redet als von ihm. Wenn er die kommende Nacht zeichnet, müssen wir einen neuen Mord in der darauffolgenden Nacht befürchten, Danglard, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Diesmal müssen wir die Streifen verstärken, zumindest im 5., 6. und 14. Arrondissement.«
    »Warum? Der Mörder ist nicht verpflichtet, gleich loszustürzen. Das hat er bis jetzt noch nie getan.«
    »Inzwischen liegt die Sache etwas anders. Verstehen Sie mich, Danglard: Wenn der Mann mit den Kreisen der Mörder ist und wenn er wieder anfängt, Kreise zu zeichnen, dann deshalb, weil er die Absicht hat, erneut zu morden. Aber er weiß, daß er jetzt schnell

Weitere Kostenlose Bücher