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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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deine Frau.
    Er wendet sich ihr zu und schaut sie an, als wäre sie aus dem Zoo entsprungen. Nach einer Weile lächelt er und sagt mühsam:
    – Obacht.
    Eine Wendung, die Alma von früher kennt. Sie nimmt an, daß er damit ausdrücken will, sie gefalle ihm.
    – Bin ich hübsch? fragt sie.
    Er nickt. Wenig später sagt er deutlich gut und ja , dann formuliert er noch warum und etwas im Zusammenhang mit weiß , was Alma aber nicht versteht. Bei warum glaubt sie, daß Richard fragen will, warum er hier ist oder warum sie erst jetzt kommt. Aber eigentlich könnte so vieles gemeint sein. Warum Otto nicht auf ihn gehört hat. Warum Ingrid mit dem Strohhalm in ihre Limonade bläst. Der Sauerstoff, den Richard über die Nasenbrille erhält, quillt zur Befeuchtung durch einen an der Wand befestigten Wasserbehälter. Große Blasen steigen auf in dem bauchigen Glas. Es gurgelt sehr laut.
    – Das muß halt sein, sagt Alma. Eine ihrer Standardantworten, die leider nicht auf alles passen. (Variante: Da kannst du ganz unbesorgt sein. ) Auch diesmal gelingt es ihr nicht zu vertuschen, wie wenig von dem, was Richard gesagt hat, bei ihr angekommen ist. Richard wird unwirsch. Sie nimmt alle Schuld auf sich und bittet ihn, er solle es ihr noch einmal sagen, weil in letzter Zeit ihre Ohren so schlecht seien, daß sie aufs erste Mal nicht alles hört. Bei wiederhäusel statt wiederholen weiß sie, was gemeint ist, doch die Lautansammlungen drumherum bleiben ihr ein Rätsel, und so sagt sie halt irgendwas (wenn ich dich recht verstehe), und zur Sicherheit fügt sie hinzu:
    – Manchmal bin ich ganz meschugge.
    Das verärgert Richard ebenfalls.
    – Ja, ja, sagt er mit stirnrunzelnder Miene, als habe er Alma im Verdacht, sie lasse sich gehen oder strenge sich zuwenig an oder wähle den falschen Zeitpunkt, um ihm vorzuführen, daß sie nur Stroh im Kopf hat. Dumm geboren, dumm geblieben. Doch als er wenig später mit den Händen Zeichen in die Luft macht, ahnt Alma nach einiger Zeit, daß er um die Augengläser bittet, die er seit mehreren Monaten nicht mehr benutzt hat. Alma findet die Brille auf dem Bord in der Waschnische, neben dem Glas für die dritten Zähne, die sie unlängst hat generalüberholen lassen. Sie schiebt Richard die Bügel hinter die großen, knorpeligen Ohren, dabei gibt sie acht, daß sie keine der Wunden berührt. Richard strahlt, weil er wieder besser sieht. Jetzt hat Alma den Eindruck, Richard nehme von ihrer Anwesenheit richtig Kenntnis und freue sich, daß sie bei ihm ist. Er blickt sie an. Sie glaubt sehen zu können, daß in seinen Augen eine deutlich wahrnehmbare Schärfe liegt, als gebe es dahinter noch zusammenhängende Gedanken.
    Also beginnt sie zu erzählen, von den Umstürzen bei den Nachbarn im Osten, von Ungarn, wo die Diktatur des Proletariats dieser Tage zu Ende gegangen ist, von der Entwicklung in der DDR, wo der 40. Jahrestag des Arbeiter- und Bauernstaates mit Massenverhaftungen gefeiert wurde. Michail Gorbatschow war in Berlin und hat zu weiteren Reformen gemahnt. Das hat Eindruck gemacht. Sie erzählt von den Wahlen in Vorarlberg, wo die ÖVP ihre absolute Mehrheit gehalten hat. Vom Specht, der bei Wesselys das neue Fallrohr der Dachrinne bearbeitet. Ja, den gibt es noch, am Vormittag war er wieder da. Die halbwüchsige Tochter des Wessely-Sohnes, der das Haus jetzt bewohnt, verhindert, daß der Schießprügel aus dem Schrank geholt wird, das Mädchen ist ebenso rührselig wie ich. Stell dir vor, das Mähen des Gartens schiebe ich trotz vieler Vorsätze seit Wochen auf, weil ich beim letzten Mal eine Blindschleiche und einen Frosch umgebracht habe. Kurz vor Mittag haben zwei Straßenarbeiter hereingeschaut und sich fürs Laubrechen angeboten. Unter den Bäumen riecht es schon säuerlich, vor allem die Steinobstblätter fallen, aber das Gras ist fürs Zusammenrechen einfach zu hoch, und dazu der Gedanke an den Frosch und die Blindschleiche, da habe ich die Arbeiter wieder weggeschickt. Mir kommt vor, ich bin in letzter Zeit ein wenig seltsam geworden. Das macht bestimmt die splendid isolation , in der ich lebe, das Alleinsein ist manchmal nicht ganz leicht. Wie ich im Frühling das drohnenbrütige Vierer-Volk auflösen mußte, hat mich das so merkwürdig getroffen, es war ein ganz ähnliches Gefühl wie nach dem letzten Rasenmähen, als ob ich ganz kläglich versagt hätte. Statt daß ich mir denke: Ja, was ist denn eigentlich los, wenn’s nicht klappt, habe ich eben statt fünf nur vier

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