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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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Stöcke oder statt vier nur drei, das ist doch kein Unglück. Aber ich werde ganz deprimiert darüber und bringe es nicht einmal mehr fertig, eine Königin zu töten, wenn sie überzählig ist. Ich glaube, es hat mit den Kindern zu tun, daß sie gestorben sind. Es ist schon abenteuerlich, nach so vielen Jahren, daß diese Schmerzen noch immer nicht verschmerzt sind. Ich denke, daran wird sich nicht mehr viel ändern. Weißt du, wenn eine Königin beim Hochzeitsflug zugrunde geht, und das Volk kriecht so suchend beim Flugloch herum, dann stelle ich mir die Frage, geht jetzt auch dieser Stock kaputt, warum passe ich nicht besser auf, warum sterben sie mir, kaum daß ich ihnen den Rücken zuwende. Ich kann dir nicht sagen, wie froh ich bin, daß bald der Winter kommt. Am Vormittag habe ich im Bienenhaus Kehraus gemacht, Schluß für heuer, das Wetter war genau richtig, ganz wie meine Laune, mittelmäßig, aber nicht von der lästigen Art. Viel Wind. In der Früh, ist dir das aufgefallen, war der Himmel wie aufgebläht, in der Nacht hat es einen kräftigen Pumperer gegeben, ich wollte schon die Polizei rufen, weil ich mir die Sache zunächst nicht erklären konnte, habe dann aber festgestellt, daß vom Wind ein Buch aus dem Regal gefallen ist. Eins von dir. Es muß ganz außen gestanden sein, nomen est omen, es heißt The Outsider . Woher hast du es? Es ist mir bisher nie aufgefallen. Ich denke, das beste wird sein, ich lese es, vielleicht fange ich noch heute damit an, weil eigentlich warst auch du ein Außenseiter. Ich glaube, das ist das, was mich am meisten an dir angezogen hat. Ich weiß noch genau, wie wir uns kennengelernt haben, da waren wir noch ein bißchen jünger als heute, so jung wie das Jahrhundert damals, das war, als wir mit der akademischen Gruppe des Alpenvereins auf die Rax gefahren und den Danielsteig hinaufgegangen sind, du mit deinen Wanderabzeichen am Revers, du hast gesagt, daß das Leben ein Jammertal und sinnlos sei, und ich habe geantwortet, schau dir dieses sonnenbeschienene Kar an, die Latschen, die Felsabbrüche und daß ich all das genießen kann und meine Kraft im Klettern spüre und mich freue, das ist es wert, daß ich lebe. Das war im Jahr 1929, erinnerst du dich. Ich habe immer gehofft, dir deinen Pessimismus nehmen zu können, deshalb habe ich dir regelmäßig von meinen Broten gegeben. Weil du Geld hattest, hast du nie eigene Brote mitgenommen, aber uns anderen fehlte das Geld, um ins Gasthaus zu gehen, deshalb hatten wir Brote und aßen sie im Gehen. Du, es war eine schöne Zeit, die zwanziger und dreißiger Jahre, ich glaube, das war bei mir, was man die Blüte des Lebens nennt. Ich war glücklich, ich meine, insofern glücklich, als ich damals nicht ahnte, daß das Leben ein großes Hindernislaufen sein wird, das auf Dauer müde macht. Für dich waren die fünfziger Jahre die Blüte des Lebens, wir haben einmal darüber geredet, du hast sie ein spätes Geschenk genannt, obwohl den Gedanken, daß der Krieg der Vater aller Dinge ist, darf man gar nicht denken, es stimmt auch nicht, der Krieg ist der Vater von gar nichts außer von weiteren Kriegen. Ich glaube, in den fünfziger Jahren hast du die Zeit wiedergefunden, in die du hineingeboren wurdest, die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, kein entscheidender Unterschied zwischen dem greisen Renner und dem greisen Franz Joseph, und auch sonst traten nur alte Männer auf den Plan, abgesehen von Figl, aber der hatte auf ausnahmslos jedem Geschirr Hirschen und Auerhähne, also im Grunde auch ein alter Mann. Und all diese Herrschaften, ich könnte sie dir aufzählen, die ganze Galerie, das sind die, die die fünfziger Jahre gemacht haben. Für die Jungen war kein Platz, Richard, das hat dir gefallen, stimmt doch, du warst dabei, wie die alten Männer losgelegt und an ihrem besseren Österreich herumgebastelt haben. Vergangenheit, nur als Beispiel, war für die jungen Leute ein irreführender Begriff, denn plötzlich hatten wir eine eigene Zeitrechnung, wie es seinerzeit auch zwei Wetterberichte gab, einen für die Touristen und einen für die Bauern. Du mußt entschuldigen, Richard, es kommt mir heute so absurd vor, was anderswo eben erst passiert war, war in Österreich bereits lange her, und was anderswo schon lange her war, war in Österreich gepflegte Gegenwart. Ist es dir nicht auch so ergangen, daß du manchmal nicht mehr wußtest, hat Kaiser Franz Joseph jetzt vor oder nach Hitler regiert? Ich glaube, darauf lief es hinaus, wie bei

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