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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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das.
    Alma steht auf. Sie hat einen trockenen Mund. Da kein sauberes Glas zu finden ist, trinkt sie das Wasser mit gebeugtem Rücken vom Hahn. Es tut ihr leid, daß sie versucht hat, Richard über die Gastein-Episode auszufragen. Sie möchte es wiedergutmachen. Sie setzt sich zurück ans Bett, und weil sie in dem Zimmer weiterhin allein sind, singt sie für Richard das Lied Der Winter ist vergangen , das sie gerne miteinander gesungen haben vor mehr als vierzig Jahren. Sie singt mit leiser Stimme, da muß es in Richards Gehirn einen hellen Fleck geben, denn er beginnt, ihre Hand zu streicheln, und tut es während des ganzen Liedes. Als Alma zu Ende gesungen hat, unternimmt er einige Male den Versuch, sich aufzurichten. Aber sein Körper gehorcht ihm nicht, wie vor Jahren sein Gehirn aufgehört hat zu gehorchen, wie vor Jahren seine Kinder aufgehört haben zu gehorchen. Sein welkes Gesicht spannt sich ärgerlich, sein Blick ist grimmig, seine Mundwinkel gehen in bitterem Schwung nach unten, als wolle er sagen, es war harte Arbeit, bis hierher zu kommen, und das ist der Lohn, ich fasse es nicht, das ist der Lohn. Er formuliert mühsam mehrere zu bloßen Lauten eingesiedete Begriffe, ehe er unter dem leisen Druck von Almas Hand zurück in sein Kissen sinkt.
    – Ist schon gut, Richard. Laß gut sein. Mach dir keine Sorgen. Kümmer dich nicht mehr darum.
    Er läßt ein unzufriedenes Knurren hören, nimmt aber keinerlei weiteren Anlauf.
    – Mach dir keine Sorgen, wiederholt Alma sanft.
    Einen Augenblick später klopft es. Eine Krankenschwester betritt den Raum, ein junges Mädchen mit ganz kurz geschnittenen dunklen Haaren und einer heiseren Stimme und der Frage, ob der Herr Doktor einen Saft möchte.
    Die Schwester reicht Alma ein Glas mit gelber Flüssigkeit, die nach Orangensirup riecht, einen Strohhalm dazu. Alma führt den Strohhalm behutsam zu Richards Mund. Richard nimmt langsame, kleine Schlucke, bei denen die Sehnen an seinem Hals stark hervortreten. Der Knorpel an seiner Kehle hüpft heftig auf und nieder.
    – Ich schicke jemanden, der die Blutkonserve abhängt, sagt die Schwester.
    Alma wirft einen Blick auf den Blutsack, der mit kopfstehender Beschriftung an einem Galgen neben dem Bett baumelt. Bei Almas Eintreten sind noch dicke Tropfen langsam aus dem Gummibeutel in einen kleinen Zylinder gefallen und von dort in den Schlauch geflossen, der zu Richards rechtem Handrücken führt. Jetzt ist der Beutel leer.
    Die Krankenschwester geht nach draußen. Eine Minute später kommt eine Ärztin, die den blutgefüllten Schlauch mit geübten Handbewegungen unterhalb des Sackes abklemmt. Die junge Frau schraubt den Schlauch aus der Kanüle, die in Richards Handrücken steckt. Sie hält das offene Ende des Schlauchs mit der einen Hand nach oben, und mit der anderen Hand spritzt sie eine klare Flüssigkeit in die Kanüle, zum Ausspülen, wie sie sagt. Sie verschließt die Kanüle mit einem kleinen roten Deckel. Dann schenkt sie Alma ein aufmunterndes Lächeln und sagt:
    – Vor der Operation tun ihm die Konserven gut, das päppelt ihn ein wenig auf.
    Die Ärztin wirft einen Blick auf den Inhalt des Urinals, das seitlich am Bett hängt, sie geht mit dem leeren Blutbeutel hinaus. Bereits in der Tür beginnt sie sich die rohweißen Handschuhe von den Fingern zu zupfen.
    – Ingrid war ebenfalls Ärztin, sagt Alma.
    Aber Richard, der die Augen geschlossen hat, reagiert auf die Ansprache nicht. Er erweckt den Eindruck, als sei er erschöpft und nahe dem Einschlafen. Vorsichtig nimmt Alma ihm die Augengläser ab. Es scheint ihm nichts auszumachen, sich wieder von ihnen zu trennen. Alma legt die Brille auf das Nachtkästchen neben das Saftglas. Sie steht auf. Eine Weile schaut sie mit verschränkten Armen zu dem großen Fenster hinaus, durch das ein mattes Nachmittagslicht auf den mit Resopal beschichteten Tisch fällt, eine Vase mit Blumen darauf, die Alma am Vortag gebracht hat, daneben das frische Obst. Das Grün der Bäume (draußen) und das Weiß der Einrichtung (herinnen) haben etwas Ermüdendes. Alma hofft, daß Richard in einen freundlichen Schlaf fällt, ohne die Last der drohenden Vernichtung, ohne Geister, ohne den Unterschied zwischen den Lebenden und den Toten, die man so leicht verwechselt. Ob Richard im Traum noch alle Begriffe hat und alles weiß und kennt wie früher. Fraglich. Und wer in den Träumen alles drin ist, die Kinder, Otto, Ingrid, und in welchem Alter, und sie selbst, in welchem Alter, mit

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