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Es geht uns gut: Roman

Es geht uns gut: Roman

Titel: Es geht uns gut: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Geiger
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ganz vorne, mit aufgestellten orangen Haaren, als wäre er an eine Steckdose angeschlossen, ich habe mir überlegt, ob ich ihm ein Zimmer bei uns in Hietzing anbieten soll, er kann auch zwei haben oder drei, da besteht kein Mangel, was hältst du davon, daß er irgendwann zur Strafe das Haus kriegt und Sissi das Geld, möchte wissen, wie das ankäme, und wie es ihm geht, dem armen Kerl, weißt du noch, daß er zwei- oder dreimal klammheimlich zu uns nach Hietzing kam, um für sein Zeugnis Geld einzuheimsen, notenmäßig war das noch nicht einmal aufsehenerregend, ich habe zu ihm gesagt, er solle mehr Gebrauch von seinem Hosenboden machen, so ein hübscher kleiner Kerl, der hätte mir alles versprochen, daß er im nächsten Jahr Klassenbester sein wird, kein Problem, na, wir wollen’s mal nicht übertreiben, der hatte die Ferien vor Augen, die dauern bei uns ja lange genug, um jeden Ehrgeiz rechtzeitig wieder einzuschläfern, dann hat er mir ganz gewissenhaft die Hand geschüttelt, früh übt sich, hab ich mir gedacht, das war noch vor Ingrids Tod, und jetzt mit den roten Haaren, wie eine Leuchtboje, und so dürr wie damals, da hat sich nicht viel verändert, und wie er sich freuen konnte so über das ganze Gesicht, ich kann mir nicht helfen, das war später wie weggewischt, die wenigen Male, als er sich noch bei uns blicken ließ, ein Jammer, ich glaube, es hat beiden nicht gutgetan, unseren Enkeln, daß ihre Mutter so früh gestorben ist, ich meine Ingrid, deine Tochter, du hattest eine Tochter, denk nach, dann fällt es dir ein, deine Tochter hieß Ingrid, das ist kein Test oder eine Fangfrage, bitte schau mich nicht so mißtrauisch an, Ingrid haben wir sie genannt, auch Eva war in der engeren Wahl, weißt du noch, damals war das wichtig, na, ob man am Vergessen sterben kann, so wie man erstickt, du wolltest Eva, ich wollte Ingrid, nein, Richard, deine Enkelin heißt Sissi, nein, Ingrid war deine Tochter, Sissi ist deine Enkelin, und Sissi hat wieder eine Tochter, Rosemary, aber das wird jetzt zuviel, ich will nicht noch mehr Verwirrung stiften, Richard, übrigens, die alte Uhr im Wohnzimmer geht wieder besser, vor ein paar Wochen hat sie mehr Zeit verloren, sie geht jetzt wieder fast genau, verstehst du das, Richard, verstehst du das, ich verstehe es nicht.
    – Was? fragt er.
    – Verstehst du das?
    – Was?
    – Es ist nicht wichtig, Richard.
    – Was?
    – Sei froh, Richard, wichtig und unwichtig, ja und nein, das gibt es alles nicht mehr.
    – Was?
    – Ja, mein Gott, was? Was? Ich habe auch viele Was?
    Zum Beispiel, das würde ich gerne zur Sprache bringen.
    Sie tut es aber nicht, schon seit Jahren: Weshalb er seiner Schwester den Garten in Schottwien überschrieben hat, das hat sich ihr nie erhellt. Und weshalb er 1938 ohne Angabe plausibler Gründe sein Geld aus dem Geschäft ihrer Mutter gezogen hat, das hat sich ihr ebenfalls nie erhellt. Und warum die Lüge mit Gastein, 1970, das schwärt am heftigsten, wenn es ihr in den Kopf kommt, und es kommt ihr sehr oft in den Kopf. Aus der Korrespondenz zwischen Richard und Nessi, die sich in Richards Schreibtisch gefunden hat, geht hervor, daß er 1970 nicht nur mit seiner Verwandtschaft, sondern auch mit Christl Ziehrer in Gastein war. Alma würde seit Monaten gerne fragen, was? was? das würde sie doch gerne wissen, was ihn dazu bewogen hat, sie zu hintergehen und dabei seine Verwandtschaft ins Vertrauen zu ziehen, dieses scheinheilige Pack. Sie würde gerne sagen, wie schäbig sie das findet und daß dies während seiner ersten Monate im Pflegeheim der wichtigste Grund war, weshalb sie, Alma, die doch eigentlich nicht nachtragend ist, viele der avisierten Besuche im letzten Moment schwänzte. Es war ihr irgendwie egal.
    – Weißt du noch, als ihr damals in Gastein wart, du und Nessi und Hermann? 1970? Du hast nie viel von diesem Urlaub erzählt.
    – Aha?
    Geheimnisse, die er gut gehütet hat. Und wofür? Für wen? Für niemanden. Um sich die Geheimnisse irgendwann selbst nicht mehr verraten zu können. Schätze, von denen er vergessen hat, wo sie vergraben sind. Bäume, die als Merkhilfe dienen sollten. Richard, die Bäume sind umgefallen. Bäche, die als Merkhilfen dienen sollten. Die Bäche, ich glaube, Richard, die haben sich ein neues Bett gegraben. Flüsse. Die sind angeschwollen. Seen. Die sind ausgetrocknet. Was ein Fluß war, ist ein See. Wie Fischkot sinken die Ereignisse zum Grund, zum Grund, das heißt zum Meer. Aber lassen wir

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