Es geht uns gut: Roman
sich beide richtig vollgegessen haben, zieht Richard sich in den Keller zurück, um sinn- und zwecklos die dort eingelagerten Vorräte mit neuen Etiketten zu versehen. Nebenher nascht er für gewöhnlich löffelweise Honig, aber das macht nichts (es heißt, Gelee Royal sei gut fürs Gehirn). Alma räumt das schmutzige Geschirr in den Spüler. Ehe sie die Arbeiten wiederaufnimmt, die sie am Vormittag nicht beenden konnte, spielt sie ein wenig auf der Querflöte. Sie ist gerade bei einem Stück von Bach, eine in F-dur gesetzte Triosonate, als Richard im Garten laut ihren Namen ruft.
Es klingt nicht nach schwerem Alarm. Alma glaubt die sonderbare Freude herauszuhören, die man empfindet, wenn es eine spannende und doch harmlose Neuigkeit mitzuteilen gibt. Sie unterbricht das Stück, wischt das Mundstück der Querflöte mit der Handinnenfläche ab, legt die Flöte auf den Steg des Notenständers und beugt sich aus dem offenstehenden Fenster.
– Was gibt es? fragt sie.
Aber da sieht sie bereits, daß einer der Stöcke beim Bienenhaus zu schwärmen begonnen hat.
– Sie ziehen aus, ruft Richard.
In einem Sicherheitsabstand von zehn Metern ist er unter dem Kirschbaum postiert. In der rechten Hand hält er eine Zigarette, deren Glut zum Körper zeigt. Er blickt kopfnickend, zufrieden zwischen dem sich bildenden Schwarm und Alma hin und her. Alma stößt sich ungestüm vom Fenster weg, läuft in Hausschuhen über die Veranda nach draußen und stolpert beinahe über die vier Stufen hinunter in den Garten. Sie bleibt stehen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Sie sieht, daß sich der Schwarm im Wipfel des alten Zwetschgenbaums niederlassen will, wo sie ihn nur schwer einfangen könnte, mit der langen Leiter vielleicht, mit etwas Glück.
Sie ruft:
– Bleib weg, Richard, du kannst mir ja doch nicht helfen.
Gleichzeitig wendet sie sich zum Wasserhahn unter der Veranda. So schnell sie kann, koppelt sie den Gartenschlauch an in der Absicht, die Bienen anzuspritzen, das hat sich schon einige Male bewährt. Diesmal wird sie selbst naß. Beim Aufdrehen des Wassers vergißt sie, daß sie nur drehen, aber nicht ziehen darf, weshalb der Verschlußhahn aus dem Gewinde geschleudert wird. Das Wasser schießt in senkrechtem Schwall aus dem Rohr in die Höhe und auf Almas Oberkleid. Rasch hält sie das Rohr mit der rechten Hand zu, und der größte Schwall zischt abermals auf ihren Körper. Doch mit der Linken kann sie durch Zusammendrücken des Schlauchs ausreichend Druck erzeugen, daß das Wasser im abfallenden Bogen die Krone des Zwetschgenbaums erreicht. Der Schwarm schwenkt irritiert in einer fahnenartigen Wellenbewegung zur Seite, unentschlossen nach rechts zwischen die Bäume. Richard macht einige Schritte in Almas Richtung, vielleicht, um ihr mit dem Hahn behilflich zu sein.
– Bleib weg, ruft sie wieder.
Da verzieht er sich zu der Schutzengelskulptur beim Gemüsegarten und schneuzt in ein Stofftaschentuch, daß es durch den ganzen Garten schallt. Über das Taschentuch hinweg beäugt er den weiteren Fortgang der Ereignisse.
Alma nimmt sich Zeit, zu schauen, wohin der Hahn geschleudert wurde. Er liegt zu ihren Füßen. Sie schnappt ihn sich, und beim Einsenken ins Rohr folgt das dritte Bad. Sie blickt nach den Bienen, die gedrängt in den Wipfel des Kirschbaums strömen. Dort könnte Alma sie noch weniger erwischen als im Zwetschgenbaum. Sie setzt die Bienen einem neuerlichen Platzregen aus. Die Bienen vollführen eine abrupte Auf- und Ab-Bewegung, verharren für einen Moment in wütendem Gewimmel, ehe sie über die Gartenmauer flüchten, die das Grundstück gegen alle Seiten abschließt, ins mildere Klima bei den Wessely-Nachbarn. Atemlos vor Erregung folgt Alma dem Schwarm. Von einem der ausrangierten Verandastühle, die zu diesem Zweck entlang der Mauer aufgestellt sind, sieht sie zu, wie der Schwarm sich in einem alten Quittenbaum niederläßt, in gut erreichbarer Höhe.
Alma ruft:
– Fritz! Susanne!
Sie wiederholt ihr Rufen, bis Fritz sich an einem der Fenster zeigt mit blitzender Nickelbrille. Alma gibt Bescheid. Sie holt die Schwarmkiste aus der Werkstatt, sie eilt zur Straße vor, wo Fritz bereits beim Gartentor wartet. Wie meistens um diese Tageszeit ist er schon leicht illuminiert. Er bringt seinen unverzichtbaren Handkuß an.
– Wenn du nicht hinken würdest, könnte man dich mit Bo Derek verwechseln.
Alma kennt keine Bo Derek. Vermutlich eine Halbprominente. Aber sie kann sich vorstellen,
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