Es geht uns gut: Roman
Munitionskiste gestützten Arme. Einen Moment lang hat es den Anschein, als werde er gleich lächeln. Er sagt:
– Ich liebe dich.
Und Ingrid, die sich ans Abwaschen macht:
– Das will ich dir auch geraten haben. Aber was mir im Moment wichtiger ist als Liebeserklärungen, die dir keine Mühe machen, das sind Antworten auf ein paar Fragen.
Ingrid will von Peter wissen, bei wem er Schulden hat und wieviel. Was an Außenständen vorhanden und noch zu aktivieren ist, also nicht nur illusorischen Wert besitzt. Wo man ihn übers Haxl gehauen hat. Wieviel das Warenlager wert ist, abzüglich der Spielpläne, die er wird wegwerfen müssen, weil – ein weiterer Fehlschlag im Leben des Peter Erlach, ein weiterer Hieb unter die wirtschaftliche Gürtellinie – der Staatsvertrag kommt und die Zonengrenzen fallen. Dann: Mit wieviel er monatlich an Einnahmen rechnet, überschlagsmäßig, inklusive dem, was das Geben von Nachhilfe einbringt. Was an laufenden Kosten anfällt, die Reparaturen am Morris eingerechnet, bei dem mit betrüblicher Regelmäßigkeit der Seilzug der Bremse reißt oder – siehe Vortag – ein Reifen platzt.
Und:
– Wieviel fehlt dir eigentlich von deinem Studium? Es wär zu schön, wenn du das Studium in den Griff bekämst, dann wäre ich restlos glücklich.
Sie trocknet sich die Hände mit einem schmutzigen Handtuch ab, dann holt sie Zettel und Bleistift in der Absicht, Peters Leben in eine mathematische Ordnung zu bringen, daraus ein Zahlenwerk zu machen, ohne einen anderen Wertmesser für Peters Anstrengungen gelten zu lassen als den errechenbaren Erfolg; dazu zählen weder Bekanntschaften, die man auf Reisen macht, noch die Möglichkeit, sich die kleinere Welt anzuschauen, womit doch alles seinen Nutzen habe, so Peter. Er solle endlich, fleht Ingrid, anfangen, wirtschaftlich zu denken, ihr Vater habe ganz recht, wenn er sage, daß man das Glück nicht zwischen Daumen und Zeigefinger nehmen kann.
– Das wäre ja noch schöner.
– Umsonst ist der Tod.
Ingrid rückt energisch näher zum Tisch, schlägt ein Bein unter den Hintern, um höher zu sitzen. Mit ausgefahrenen Ellbogen zieht sie mit einem klobigen Tischlerbleistift Spalten auf Abfallpapier.
– Also los, raus mit der Sprache, nun sag schon, ich will das alles wissen.
Addition und Subtraktion und zwischendurch, damit die Summe rund bleibt, gelegentliche Auf- und Abschläge zu Peters Ungunsten, was unwidersprochen bleibt, ein ums andere Mal, Ingrid könnte wetten, die Zahlen sind nach wie vor geschönt. Acht und sieben und eins und eins und neun und zwei, achtundzwanzig, acht an, zwei weiter, zwei und acht und drei und zwei und neun und sieben und eins, zweiunddreißig, zwei an, drei weiter, drei und vier und neun und drei und fünf und sieben und sechs, siebenunddreißig. Gerundet:
– 40000 Schilling Schulden, 20000 Schilling Außenstände. Peter, dir steht das Wasser bis zum Hals.
Peter verdrückt sich verlegen zu seiner Arbeit, und Ingrid sieht ihm zu, wie er eingegangene und eingeholte Bestellungen mit einer ihr finster anmutenden Ausdauer für den Versand vorbereitet; von dieser Tätigkeit wie anästhesiert. Nach einiger Zeit kritzelt Ingrid ZUR DRINGENDEN KENNTNISNAHME! auf Kopf und Fuß des Rechnungsblattes, sie steht auf, heftet das Blatt an das Anschlagbrett vorne links beim Eingang. Dann, zurück auf der Munitionskiste, redet sie sich ihren Frust von der Seele, das will ich dir mal klipp und klar sagen, und sie muß zugeben, es fühlt sich gut an, mit jemand Erwachsenem auf gleicher Augenhöhe zu reden, sich nicht wie ein Kind vorzukommen, diese verfluchten sechs Jahre Altersunterschied, die sieht man ihnen ja gar nicht an.
Also, Atemholen:
– Weil deine ewige Pleite liegt mir bleischwer im Magen, das geht nun schon so, seit ich dich kenne, und ich frage mich manchmal, ob überhaupt Hoffnung besteht, daß es einmal besser wird. Jedesmal, wenn man glaubt, jetzt geht es aufwärts, kommen wieder neue Schwierigkeiten, es ist wirklich wie ein Verhängnis über deiner Arbeit. Wenn Papa erfährt, daß du sogar fürs Essen anschreiben läßt, dann bist du der Blamierte, dann heißt es von anderer Seite mit Recht, na ja, wir können die Eltern von der Ingrid verstehen, denn der Peter kommt nicht auf die eigenen Beine, der macht sich nur zum Clown mit den lausigen Kröten, denen er hinterherrennt. Liebling, ich weiß, daß du dich redlich rackerst und tust, was du kannst, und daß es so vieles gibt, was dir in die
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